Geflüchtetenhilfe. Zum dritten Mal trafen sich am Freitag, den 8. Dezember, ehrenamtliche GeflüchtetenhelferInnen aus ganz Deutschland in Bochum, um sich auszutauschen und zu vernetzen. Dabei wurde klar, dass noch viele Fragen offen sind.
Winter 2017. Die vollen Bahnhöfe des Sommers 2015, die wartenden Menschenmassen wirken schon bald wie Bilder einer fernen Vergangenheit. Doch obwohl die Bahnhöfe längst wieder leer sind, beschäftigt sich unsere Gesellschaft weiterhin mit dem, was seitdem kam. In diesem Kontext fand die dritte Multiplikatorenschulung der UNICUM Stiftung statt. Sie diente der Schulung von GeflüchtetenhelferInnen, die aus ganz Deutschland anreisten, um im Umgang mit Fragen des Asylrechts oder psychologischen Problemen von Geflüchteten, wie zum Beispiel Traumata und Belastungsstörungen, weitergebildet zu werden.
Helfen trotz Ohnmacht
Dieses Jahr lag ein weiterer Schwerpunkt auf dem Umgang mit Rassismus. Es ging dabei nicht nur um Formen von Fremdenfeindlichkeit und die Sensibilisierung gegenüber eigenen Vorurteilen, sondern auch um konkrete Strategien, mit Rassismus umzugehen. „Das ist auch das Problem: Wie spricht man es bei Menschen an, ohne soziale Beziehungen zu versauen?“, fragt Lena Rentzsch, die bei dem Programm #UHHhilft der Universität Hamburg mitarbeitet. Viele der HelferInnen erzählten von schwierigen Situationen mit Bekannten. Wenn sie fremdenfeindliche Äußerungen erleben, stellt sich bei ihnen oft eine gefühlte Ohnmacht und Sprachlosigkeit ein. Marcus Orsei, Anti-Rassismus-Trainer des ARIC-NRW e. V., gab dazu den Rat: „Zuerst sollte man versuchen, andere Positionen aufzuzeigen, ohne direkt überzeugen zu wollen.“ Es ginge darum, nicht sofort Recht haben zu müssen, sondern langfristig Menschen ins Zweifeln zu bringen.
Der Wandel in uns
„In vielerlei Hinsicht hat sich alles verändert. Wir haben uns genauso verändert, wie auch das, was wir als Personen machen müssen“, sagt Leonardo Stöber von der Organisation Greifswald hilft Geflüchteten. Er spricht sowohl von der fachlichen als auch persönlichen Ebene. So haben viele
HelferInnen mit der Zeit gelernt, die persönlichen Schicksale der Geflüchteten nicht an sich herantreten zu lassen. „Es ist nicht möglich, 200 Einzelschicksale mit der gleichen Intensität zu betreuen. Diese Emotionalität würde dich fertig machen“, so Leonardo. Die Form von Flüchtlingshilfe hat sich ebenfalls gewandelt, wie an den Arbeiten der HelferInnen zu sehen war. „Diesmal ist das Projekt der Uni Düsseldorf aufgefallen, die sich einsetzen, medizinische Unterstützung zu geben. Das heißt, Medizinstudenten werden mit Dolmetschern zusammengebracht und dieses Tandem begleitet dann einen Geflüchteten zu Arztterminen“, sagt Ann-Christin von Kieter, verantwortliche Redakteurin bei UNICUM.
Damit zeigt sich: Wo am Anfang Erste Hilfe im Mittelpunkt stand, sind wir derzeit bei mittelfristigen Fragen angelangt. Wie integrieren wir Geflüchtete in Sozialsysteme? Wie gehen wir mit reaktionären Positionen um? Dass dies nicht das Ende der Ereignisse ist, die 2015 in Fahrt gerieten, sollte klar sein. „Ein Thema für die Zukunft wäre, dass die Menschen, die hier lange bleiben, nicht in einer Parallelwelt zu unserer Gesellschaft leben“, so Frederik Töpel, der als Büroleiter der UNICUM Stiftung die Schulung organisierte und leitete. Für eine vierte Schulung, die voraussichtlich nächstes Jahr stattfindet, wäre dies ein Anknüpfungspunkt.
:Stefan Moll
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