Rezension. ELEX polarisiert. Einerseits begeistert KritikerInnen die hohe Immersion, andererseits kritisieren sie die Animationen und das fummelige Kampfsystem. Aber hebt gerade das ELEX nicht von anderen Spielen ab?
Der 17. Oktober wurde bei vielen Rollenspielfans bereits rot im Kalender markiert. An diesem Tag ist das neue Piranha-Bytes-Spiel ELEX erschienen. Das Essener Entwicklerstudio hat sich in der Vergangenheit einen Namen gemacht durch die legendäre Gothic-Reihe, sowie die inoffizielle Nachfolgerreihe Risen. Aber was steckt hinter dem neuen Scifi-Rollenspiel?
ELEX hat sich viel vorgenommen. Wie in Piranha-Bytes-Spielen üblich soll es ein riesiges Openworld-Spiel mit fast unbegrenzten Möglichkeiten werden. Wir starten, anders als gewohnt, als Charakter mit Namen. Unser Held Jax kämpft sich durch die postapokalyptische Welt und kann sich entscheiden, ob er weiter die seltene Ressource ELEX konsumiert und damit ein grausamer, seelenloser Jäger bleibt oder aber auf ELEX verzichtet und Gefühle zulässt. Das Setting ist im Vergleich zu den Vorgängern ein vollkommen neues. Magie trifft hier auf Technik und Science Fiction auf Fantasy. Wir können uns sowohl mit dem Schwert durch unsere GegnerInnen Metzeln, als uns auch mit Jetpack, Magie und großen Wummen unseren Weg freikämpfen. Nicht überraschend also, dass viele SpielerInnen Größen wie Mass Effect oder Skyrim im selben Atemzug nennen. Während aber an Titeln wie Mass Effect mehrere hunderte MitarbeiterInnen arbeiten, wird ELEX von dreißig Festangestellten gestemmt. Viele SpielerInnen verbinden mit Piranha-Bytes-Spielen neben fürchterlichen Konsolenports auch hölzerne Animationen und liebloses Voiceacting. Wieder andere loben die liebevoll durchdachten Storys und die aufwendig designten Spielewelten, sowie den erfrischend herausfordernden Schwierigkeitsgrad.
Hat Piranha Bytes sich mit einem Titel wie ELEX vielleicht einfach übernommen? Ist Piranha Bytes vielleicht einfach ein Studio mit fantastischen Ideen, aber zu wenig Ressourcen für solch ambitionierte Projekte?
Detailreiche Spielwelt – Zahlreiche Eigenheiten
Die Spielewelt von ELEX macht Spaß. Wie von Piranha Bytes gewohnt, strotzt die Welt nur so vor Details. Hinter jeder Ecke, auf jedem Turm und in jeder Höhle lässt sich etwas Spannendes finden. Loot, Audiologs oder große Trolle, die uns onehitten. Abgesehen von den Bethesda-Spielen wie Skyrim und Fallout gibt es kaum ein Spiel, in dem das freie Erkunden der Spielewelt so viel Spaß macht wie in ELEX. Aber anders als in Skyrim oder Fallout muss man in ELEX häufig die Beine in die Hand nehmen, will man nicht sterben.
ELEX füllt, anders als Mass Effect Andromeda, die große Welt sinnvoll auf und schafft es, dass sich nichts darin generisch anfühlt. Nur die teils matschigen Texturen und eindimensional wirkenden Objekte trüben das Gesamtbild. Mit dem Jetpack soll der/die SpielerIn die Möglichkeit bekommen, jeden Ort der Karte zu erkunden. Die Steuerung des Jetpacks stellt sich allerdings als kontraintuitiver heraus, als man glaubt. Man braucht, gerade wenn man versucht, an einen Ort zu kommen, der eigentlich nicht dafür vorgesehen ist, einige Anläufe. Hat man es geschafft, freut man sich dafür später umso mehr. Auch die Kämpfe erinnern eher an World of Warcraft und können sich nicht mit den Animationen von The Witcher 3 messen. Vielleicht sorgen aber gerade die altbackenen Animationen und das fummelige Kampfsystem für ein nostalgisches Gefühl von Zuhause. Mit ELEX hat man die Chance, nochmal das spezielle Gothicgefühl zu erleben.
Was so mancher also als Schwäche einschätzt, könnte sich am Ende als eine der größten Stärken von ELEX entpuppen. Ähnlich wie das warme Knistern von Vinyl oder der Reiz analoger Einwegkameras auf Partys, könnte ELEX mit seinen Eigenheiten eine Nische füllen, von der so mancher gar nicht wusste, dass sie in der Gamingbranche existiert. Ist ELEX vielleicht sogar der Startpunkt einer Entwicklung, die wir schon länger in anderen Bereichen beobachten? Immer mehr Menschen fotografieren auch analog und Vinyl erlebt einen zweiten Frühling. Craftbiere versuchen mit experimentellen Brauverfahren und Zutaten, den Einheitsbrei großer Marken aufzubrechen.
Vielleicht ist ELEX der Startpunkt einer ähnlich nostalgischen, experimentelleren Strömung im Gamingbereich. Einer Entwicklung, die Spiele im Gesamtpaket sieht und kleinere Fehler vielleicht sogar als Stil oder als liebenswert empfindet. Eine Entwicklung,in der Spiele wie ELEX friedlich neben Titeln wie The Witcher, Skyrim oder Mass Effect koexistieren. Gerade weil sie anders und speziell sind und wir genau dieses Gefühl von früher wieder mal erleben möchten. ELEX hat das Potential, genau das zu liefern. Kuriose Zufälle und witzige Bugs, über die man lachend den Kopf schüttelt, um sie später seinen Freunden zu erzählen, während der Spielspaß nicht völlig leidet.
:Andreas Schneider
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