LITERATUR. Der ehemalige Chefredakteur der „Cumhuriyet“ Can Dündar las beim Festival Literatürk aus seinem Buch „Verräter“.
Immer wieder haben sie Can Dündar so abgestempelt. Als er und die „Cumhiriyet“ wegen Hochverrats angeklagt wurden, weil sie im Mai 2015 berichtet haben, wie türkische Geheimdienste islamistische Milizen mit Waffen beliefern. Als Verräter galt Dündar auch später immer wieder in der türkischen Öffentlichkeit, da befand sich der Journalist schon längst im deutschen Exil.
Diese Erfahrungen, den Putsch im Sommer 2016 und den späteren Ausnahmezustand, die Flucht und die publizistische Tätigkeit im Exil, hat Dündar in einem Buch zusammengetragen, das im Oktober erschien. Der ironische Titel: „Verräter. Von Istanbul nach Berlin. Aufzeichnungen im deutschen Exil“.
Aber was macht es nun mit einem, in der Türkei als Verräter zu gelten? Darüber sprach Dündar auch vergangenen Mittwochabend, wo er im Rahmen des Festivals Literatürk sein autobiographisches Werk im Essener Astra-Kino vorstellte.
Wie einst Mann und Brecht
„Die Türkei gibt es zweimal“, sagt Dündar. „Die eine Seite nennt mich Verräter. Die andere weiß genau, worum ich kämpfe.“ Und dieser zweiten Türkei, den Unterdrückten und Verfolgten, gilt sein aktuelles publizistisches Engagement.
Neben dem Zeitschrift-Projekt „Özgürüz“ hat er bereits sein zweites Buch in Deutschland herausgegeben. Und der Autor zieht darin eine Bilanz, in der er die Zukunft der Türkei mit der globalen gesellschaftlichen Situation verbindet: „Es geht darum, Demokratie und Freiheit weltweit zu verteidigen“, ergänzt der Mitpreisträger des Alternativen Nobelpreises an diesem Abend.
In „Verräter“ zieht der Politologe auch Parallelen zu deutschsprachigen Autoren wie Brecht oder Thomas Mann, die das NS-Regime zur Flucht zwang. Für die türkischen Exil-Autoren stelle sich nun die Aufgabe, sich intellektuell einzumischen und die Hoffnung auf eine andere Türkei aufrecht zu erhalten. „Mit der stärksten Waffen, die wir haben“, so Dündar. Mit der Schrift.
:Benjamin Trilling
INFO:BOX
Can Dündar: „Verräter. Von Istanbul nach Berlin. Aufzeichnungen im deutschen Exil“, 192 Seiten, 20 Euro.
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