Kommentar. Bundesweit leben fast 900.000 Menschen ohne festen Wohnsitz. Ihre Lage droht, sich in den nächsten Jahren zu verschlechtern.
Deutschlandweit leben laut Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe 860.000 Menschen ohne festen Wohnsitz. Im folgenden Jahr soll ihre Zahl auf über eine Millionen Menschen steigen. Dann werden mehr als 1,2 Prozent aller Menschen in Deutschland kein Zuhause haben. Welch ein Armutszeugnis für eins der reichsten Industrieländer! Und dabei ist es gar nicht nötig, mit dem Finger auf Konzerne und „die da oben“ zu zeigen, denn die Schuld an der momentanen Situation entsteht auch ganz woanders: in jeder noch so kleinen Amtsstube einer noch so kleinen Kommune, auf dem Wohnungsmarkt, auf dem jedeR VermieterIn das Maximum aus den winzigsten Appartements rausholen will und auch in den alten und neuen „In-Vierteln“, die durch Gentrifizierung und Aufwertung für einen immer größer werdenden Teil der Gesellschaft schlicht nicht mehr bezahlbar sind. Daher stehen auch alle Beteiligten in der Pflicht. Eine Stadt, die allen gehören soll, darf diejenigen, die nicht am guten und schönen Leben partizipieren können, nicht ausschließen. Gesellschaftliche Teilhabe muss inklusiv sein: Ein geringes Einkommen oder andere Faktoren dürfen nicht über Lebensqualität entscheiden.
Strukturelle Probleme
Viele Probleme sind unterdessen hausgemacht, man denke nur an den bevorstehenden Abriss zahlreicher innerstädtischer und stadteigener Gebäude entlang der Viktoriastraße. Anstatt günstigen Wohnraum zu schaffen, werden die Flächen an einen Großinvestor verkauft. Die Stadt soll sich einmieten.
Es wäre so einfach, sich der wachsenden Wohnungslosigkeit zu stellen, in Bochum ist man diesbezüglich jedoch blind. Noch vor Kurzem hatte der Rat die Möglichkeit, mit einer Zweckentfremdungssatzung (:bsz 1135) die schon herrschenden Probleme anzugehen. Im Rathaus entschied man sich dagegen. Die nun immer weiter steigenden Obdachlosenzahlen sind die bitteren Früchte einer eklatanten Missachtung von sozialverträglicher Wohnraumpolitik. Über kurz oder lang bleibt den Verantwortlichen jedoch nichts anderes übrig als zu handeln, soll sich die Lage nicht weiter verschlimmern.
:Justinian L. Mantoan
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