Kommentar. Der Bochumer Stadtrat muss sich auf Antrag der Linksfraktion mit dem Thema der Zweckentfremdungssatzung beschäftigen. Dieser Schritt ist – entgegen aller Befürchtungen der KritikerInnen – in der Ruhr-Stadt längst überfällig.
Viel hat sich in Bochum in den letzten Monaten getan, wenn es um das Thema Leerstand und sozialverträglicher Wohnraum ging; bedauerlicherweise jedoch nur auf Seiten von AktivistInnen, HausbesetzerInnen und MieterInneninitiativen. Die Politik, vor allem die regierende SPD, hielt sich gekonnt im Hintergrund. Nun jedoch wird die Stadt zum Handeln gezwungen, denn die Linksfraktion im Stadtrat brachte das Thema mittels Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung. Nun hat die Stadt bis zum 31. August Zeit, ein entsprechendes Konzept vorzulegen.
Bestenfalls wird sich Bochum in die Riege der NRW-Kommunen einreihen, die dem Leerstand und damit der Wohnraumknappheit und -verknappung ein Ende setzen wollen. Gewiss steht die Stadt noch nicht vor Problemen wie sie in Münster oder gar Köln an der Tagesordnung sind, auch ist der Leerstand nicht so gravierend wie beispielsweise in der Dortmunder Nordstadt; doch das ändert nichts daran, dass auch in Bochum Missstände herrschen.
Längst überfälliger Schritt
Mehr als 7.000 leerstehende Wohnungen, viele davon in einem desolaten Zustand. Eine Büroflächenleerstandsquote über fünf Prozent (mehr als 90.000 Quadratmeter). Trotzdem lebt noch immer die Mehrzahl der geflüchteten Menschen in Turnhallen, trotzdem leben noch immer Menschen aller Altersstufen auf der Straße und trotzdem steigen seit Jahren die Mieten in fast allen Stadtteilen Bochums
In der Vergangenheit glänzten Stadt und Verwaltung mit falschen Aussagen über Wohnungsmarkt und Obdachlosenzahlen, die Vermietung von gefördertem Wohnraum wurde nicht kontrolliert und Leerstand ist noch immer ein alltäglicher Anblick im Bochumer Stadtbild.
Die vor Kurzem beendete Besetzung der Herner Straße 131 (:bsz 1133) wäre eine günstige Möglichkeit, ja sogar eine willkommene Einladung gewesen, die lokale Wohnraumpolitik zu überdenken, besser noch: völlig zu überarbeiten. Diese Chance blieb ungenutzt, erst auf Druck der Opposition sah sich die regierende SPD zum Handeln gezwungen. Soziale (Wohnraum-)Politik geht anders!
Keine Enteignung
KritikerInnen des Zweckentfremdungsverbots kritisieren die Maßnahme regelmäßig als „Enteignung“, fast hört man sie flüstern: „Ein Gespenst geht rum in unserer Gemeinde, das Gespenst der Zweckentfremdungssatzung.“ Wie kann es der Staat nur wagen, sich am Eigentum der SpekulantInnen, InvestorInnen oder schlicht der ImmobilienbesitzerInnen ohne Vermietungsabsichtungen zu vergreifen? Den entsprechenden KritikerInnen sei ein Blick ins Grundgesetz empfohlen, dort heißt es in Artikel 14, Absatz 2: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Leerstehende Wohnungen, kaputtbesessene Häuser und Mietpreise weit über einem erträglichen Maß können nicht dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Wenn Wohnen zum Luxus wird, wenn MieterInnen nach und nach verdrängt werden und Immobilienpreise ins Unermessliche steigen, kann man bei einer Zweckentfremdungssatzung besten Willens nicht von Enteignung sprechen; auch mit einer entsprechenden Satzung ist der Kommunismus noch weit entfernt…
:Justinian L. Mantoan
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