68er-Reihe. Anfang Juli 1967 strömten Studierende an die Wahlurnen, um ihr erstes Parlament an der Ruhr-Universität zu wählen. 58 Prozent gaben ihre Stimme ab und verhalfen den SozialdemokratInnen mit 23 Sitzen zum Sieg. Wahlkampf Thema Nummer eins: Wie politisch darf ein AStA sein?
Es war eine Pionierzeit, wie Daniel Rieser berichtet, der 1967 an der RUB studierte. Im Rückblick auf die hochschulpolitische Entwicklung an der RUB stellt er fest: „Verständlicherweise dauerte es einige Zeit, bis sich politische Studentengruppen und eine funktionierende Interessenvertretung herausbildeten.“ Einer der ersten Schritte in diese Richtung stellten die Wahlen zum Studierendenparlament dar, bei der insgesamt acht Hochschulgruppen antraten: von den Konservativen des RCDS und der Wahlgemeinschaft unabhängiger Studenten (WUS), über den Sozialdemokratischen Hochschulbund (SHB), der von Schriftsteller Günter Grass unterstützt wurde, bis hin zu den linken Gruppen Sozialistischer Studentenbund und der Action Bochumer Studenten.
Die Frage des politischen AStAs
Eines der großen Themen des Wahlkampfes hatte der damals scheidende AStA-Vorsitzende Roland Ermrich bereits bei der Immatrikulationsfeier im Mai des Jahres vorweggenommen: Darf sich ein AStA politisch im Namen aller Studierenden äußern? Und wenn ja, wie? Ermrich bejahte dies in seiner Rede: „Es wäre vollkommen falsch, wenn sich die Studentenschaft in politischer Hinsicht nur um ihre eigenen Belange, wie Mensa, Studienbedingungen und Wohnheime kümmern würde. Unterstützung fanden Ermrichs Worte vor allem bei den linken Gruppen und den Sozialdemokraten. Der RCDS lehnte sie vehement ab. Er erklärte kurz und knapp: „Das politische Mandat der Studentenschaft, also das Recht des AStA im Namen aller Studenten politische Erklärungen abzugeben, wird abgelehnt.“ Doch wer angesichts der stark abweichenden Positionen einen hitzigen Wahlkampf erwartete, wurde enttäuscht.
Ein Wahlkampf ohne Biss
Für B.G. Westermann, der seine persönlichen Eindrücke von damals für die :bsz zusammenfasste, war der Wahlkampf einfallslos und ohne Esprit. Ihm schien er dem niederbayerischen Kommunalwahlkampf zu gleichen, wo „der Huberbauer für zwei Maß vom christsozialen Lager in das der Bayernpartei überwechselt.“ Die SozialdemokratInnen hielten sich im Wahlkampf mit Attacken zurück, Westermann empfand ihren Wahlkampf sogar als „kastriert“ Er schrieb über die SHB: „ Sachlich-kritisch-engagiert versuchte man Niemanden auf die Füße zu treten.“
Die Debatten über einen politischen und/oder unpolitischen AStA und der Wahlkampf zeigen, dass kein revolutionärer Pathos oder keine Weltveränderungsstimmung im Vorfeld der StuPa-Wahlen herrschte, sondern themenbezogene Nüchternheit. Die Sachlichkeit des Wahlkampfes bezeichnete Westermann sogar als „Bochumer Geburtskrankheit.“ Die Wahl zum ersten Studierendenparlament bildete den Kern der kommenden Politisierung, die sich in zahlreichen Protesten und Aktionen über die Jahre 1967 und 1968 ausdrückte.
Gastautor :Jan Freytag
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