Künstler-Profil. Rob Verwer hat sich vor fast 20 Jahren als Künstler selbstständig gemacht. Vorher hat er als Ingenieur gearbeitet. Die :bsz hat ihn während der Vorbereitung seiner „Klangfahrräder“ für die Bo-Biennale interviewt.
:bsz: Worum geht es bei deinem Beitrag zur Bo-Biennale?
Verwer: Der Auftrag hier für die Bo-Biennale war etwas zu machen mit Kindern, Fahrrädern und Klang. Dabei sind die Klangfahrräder entstanden. Ich wollte den Kindern zeigen: Sicherlich gibt es tolle Fahrräder, aber du kannst selbst auch viel Schönes machen. Dabei war es mein Ziel, dass die Kinder möglichst viel selbst machen können – dass sie auch Zuhause etwas bauen können. Nicht irgendwelche hoch technischen Sachen – Ich nenne das „extrem Low-Tech“: Es gibt viele Geräusche und Klänge, aber es sind nur ein paar alte Flaschendeckel, Eisenstäbe und Sprühfarbe. Und daraus entstehen dann acht Fahrräder, die in einer Kolonne fahren und die Leute drehen sich um und fragen sich „Was ist denn da los?“
Wie kam das Projekt bei den Kindern an?
Die Kinder machen gerne mit. Wir haben die ganze Woche gearbeitet. Wir haben viele Sachen aus dem alltäglichen Leben etwas ganz Anderes tun sehen. Wer denkt zum Beispiel, dass ein Flaschendeckel [auch] ein Taktgeber sein kann? Und die Kinder lernen, dass man sich nur umgucken muss, um Probleme zu lösen oder neue Konzepte zu entdecken. Sie lernen auch viel über Mechanik und Mathematik. Ich arbeite gerne mit Kindern in ganz Europa und mit Schulen.
Wie würdest du das, was du machst, in einem Satz zusammenzufassen?
Ich versuche alles zu simplifizieren und zu entkleiden. Das ist der Kern von dem, was ich mache und was ich der Welt zeigen möchte: Was hinter allem steckt. Ich kann natürlich nicht alles zeigen, ich bin ja kein Gott. Ich kann aber so ein Smartphone nehmen und sagen „Guck mal, wenn du das mal aufmachst, da ist nur das und das. Und das sitzt auch da drin und wir zahlen da 400 Euro für. Aber ich kann auch etwas bauen für 30 Pfennig und das hat auch Funktionalität.“ Das finde ich gut.
Wie finanzierst du deinen Lebensunterhalt?
Ich bin freischaffender Künstler. Ich bin aber nicht in Galerien zu finden und wenn ich mal in einer Galerie etwas vorstelle, dann verkaufe ich nichts. Ich finanziere die ganze Arbeit aus Projekten mit Schulen. Andere Künstler haben eine Agentur. Wir bringen Kunstwerke zur Schule und die Kinder müssen einen Schritt mitmachen. Zum Beispiel haben wir eine Mosaikskulptur mitgebracht, auf der man auch spielen kann. Ich biete auch computergesteuerte Projekte an und die müssen natürlich von Schulen bezahlt werden – und daraus beziehe ich mein Einkommen.
Woher bekommst du deine Aufträge?
Ich kenne eine Künstlerin, die sehr gut vernetzt ist und gut mit Finanzen umgehen kann und die ruft Schulen überall in Deutschland, Belgien und den Niederlanden an und da werden wir dann eingeladen. Wir haben auch eine Internetseite, wo die Schulen Anfragen stellen können und uns buchen.
Bekommt ihr viele Aufträge?
Naja, wir nehmen nicht mal alles an, weil wir so viele Anfragen bekommen.
Wie viel bist du dabei unterwegs?
30-40 Mal im Jahr fahren wir los – also quasi jede zweite Woche durch ganz Europa. Mal zwei Mal die Woche, mal nur einmal im Monat. Wir packen dann unsere Sachen in die Busse – Werkzeuge, Materialien und alles und los. Einmal sogar mit sechs Bussen, da mussten wir 600 Kinder bedienen. Da hat das Packen alleine einen ganzen Tag gedauert.
Das klingt nach einer Menge Aufwand.
*Lacht* Ich bin hyperaktiv – wenn zu wenig Aufwand da ist, langweile ich mich.
Wie kamst du dazu, dich als Künstler selbstständig zu machen?
Ich bin seit 1997 dabei. Davor habe ich als Ingenieur für verschiedene Firmen gearbeitet. Aber dabei habe ich mich gelangweilt. Dann hab ich mich gefragt: „Warum mach ich das eigentlich? Ich hab kein Haus, keine Kinder … Bin ich blöd oder so? Bin ich nicht, also hab ich die Kunstakademie besucht. Und das war schon eher meine Sache.
Was hat dich an deiner Ingenieurstätigkeit gestört?
Ich hatte schon immer Probleme in Firmen, da ich kreativ war. Ich hab gesagt: „Hör mal, ihr macht das so, aber so wäre besser.“ Und dann wurde mir gesagt „Ne ne, halt den Mund. Du bist viel zu kreativ!“
Und jetzt?
Und jetzt muss ich kreativ sein. Ich fahre keinen BMW, ich habe mir kein wahnsinniges Haus mit Schwimmbecken und was nicht alles gekauft. Ich kann mir die Zeit frei einteilen. Ich habe keine festen Termine. Ich lebe ein bisschen freischwebend. Ich habe meinen Platz in der Welt gefunden.
Welches Projekt hat dich in letzter Zeit besonders gepackt?
Das war mit einer internationalen Theatergruppe – The Lunatics – muss man kennen! Die machen ortsspezifische Theaterstücke. [Damals] haben sie ein fünftägiges Theaterstück in einer alten verlassenen Seide-Fabrik gemacht. Da habe ich einen 20 Meter hohen Turm gebaut. Ich bin mit dem Fahrrad eine Woche lang da herumgefahren. Das Rad hatte einen Mast dabei, der war 20 Meter hoch. Also: genauer [gesagt] waren es drei mit Holz zusammengenagelte Räder. Und da waren 50 Kilometer Stoffband auf einer Trommel befestigt und ich habe den Mast wie ein kleines Seidentierchen eingewickelt. Am Anfang und am Ende des Stücks kam das Publikum raus und lief beim Turm entlang. Am Ende der fünf Tage war oben auf der Fabrik ein buddhistischer Chor und die haben gesungen, während ich da rumgefahren bin. Das war ein ganz schöner Flow.
Wie arbeitest du am liebsten – im Kollektiv oder alleine?
Also, wenn ich im Kollektiv arbeite, bin ich immer der Aktivste und kurbele alles an – am Ende machen dann oft alle meine Sache. Aber ich mache auch alleine Sachen. Ich mache ja auch nie nur ein Projekt – sondern eher zehn gleichzeitig an einem Tag. Heute bin ich in Bochum und mache die Klangfahrräder und morgen bin ich in Holland und baue einen babylonischen Turm mit Flüchtlingen – zwölf Meter hoch und sieben Meter Fuß Maß – und dazu laufen noch einige Computerprojekte und sowas.
Als was für eine Art von Künstler würdest du dich bezeichnen?
Ich bin kein Standardkünstler, der Gemälde macht. Ich bin eigentlich ein Performer – mein Theater ist draußen, die ganze Welt – und die Kinder machen mit.
:Frederik Herdering
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