Sofern Ihr die letzten Wochen nicht hinter einem Felsen gelebt habt, müsste Euch Pokémon Go ein Begriff sein. Das neue Smartphonespiel mit erweiterter Realität erobert SpielerInnenherzen, Straßen und Märkte (Nintendo ist mittlerweile mehr wert als Sony). Ziel des Spiels ist es, gemäß dem nostalgischen Intro-Song, „der Allerbeste zu sein“ und dafür muss man nichts anderes tun, als die tierähnlichen Pokémon virtuell einzufangen, sie zu KämpferInnen zu trainieren und somit stärker als alle anderen werden zu lassen.
Das makabre an dem Ganzen: Um erfolgreich „leveln“ zu können, müsst ihr euren ausgewählten Pokémon Sonderbonbons geben. Die bekommt ihr von Professor Eich im Austausch gegen überschüssig gefangene Taschenmonster. Hat sich keineR von Euch gefragt, aus was die Naschereien wohl gemacht sind?
Stellt Euch vor, Ihr habt eine erfolgreiche Jagd unternommen und viele Pokémon gefangen. Von all diesen Monstern sucht Ihr euch die Stärksten aus, mit denen Ihr Arenen einnehmen und Kämpfe gegen andere TrainerInnen gewinnen wollt. Da bleibt nicht viel Platz für all die anderen ArtgenossInnen, die nicht dazu auserkoren sind, von Euch trainiert und ins Feld geführt zu werden. Was passiert mit all diesen unschuldigen Wesen? Richtig, man schickt sie zu Professor Eich und als Dank winken Belohnungen in Form von Sonderbonbons. Schon komisch, wenn Millionen von SpielerInnen all ihre hunderte und tausende von überzähligen Pokémon zu Eich schicken; wo hat der soviel Land und Nahrung her, um sie alle liebevoll und gerecht behandeln zu können? Oder viel wichtiger, hat er etwa einen Sack ohne Boden, aus dem er immer wieder neue Bonbons für die TrainerInnen schöpft?
Die traurige Wahrheit
Schön wärs, doch viel wahrscheinlicher ist hingegen, dass er nie vor hatte, all die erhaltenen Pokémon aufzunehmen und zu versorgen. Wie mir scheint, hat er das Problem der Unmengen an schwachen und ungewollten Monstern durch die Erfindung einer Maschine bewältigen können. Einer Maschine, die verstoßene Pokémon in aufputschende Sonderbonbons verwandelt. Denn schließlich muss ja das auserwählte starke Taschenmonster eines Trainers oder einer Trainerin was in den Magen bekommen, um groß und stark zu werden. Dass dabei die Starken die Schwachen buchstäblich fressen und an ihnen wachsen, demonstriert eine perverse Ethik in Bezug auf den Umgang mit den Pokémon. Schließlich sind sie doch sowas wie Tiere in ihrer Welt.
Moralisch verwerflich
Nun seid dem Professor aber nicht böse. Es sind auch nicht die TrainerInnen, die mit ihrem Verlangen nach immer mehr Pokémonfangen und immer höheren Levelstufen übersehen, dass alle Taschenmonster doch nur geliebt werden wollen. Im Grunde ist Pokémon Go im Zusammenhang mit dem Erwerb von Sonderbonbons eine Persiflage auf die Fleischindustrie und Massentierhaltung unserer westlichen Gesellschaften. Das wohl schlimmste daran ist aber nicht einmal, dass es diese Parallele gibt, sondern, dass den meisten Menschen diese Perversion gar nicht mehr auffällt.
:Eugen Libkin
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