Warum hat er mich verlassen? Warum kriege ich nie eine ab? Warum gerate ich immer an den Falschen? Soll ich sie nicht doch nochmal anrufen? – Fragen, die so oder anders sich wohl jeder und jede schon mal gestellt hat. Der Lektora-Verlag riet: „Schreiben statt jammern“ und hat ein Buch mit Einsendungen zum wohl abgedroschensten Thema der Kulturgeschichte herausgebracht. Und damit bewiesen, dass Poetry Slam besser ist als sein Ruf, denn das Buch versammelt einige frische, absurde und nachdenkliche Perspektiven zum Thema.
Trotz des Titels der Anthologie, „Schreiben statt jammern“, wird selbstverständlich viel in dem Buch gejammert. Das kann man natürlich als Aufruf zum therapeutischen Schreiben werten; die Autorinnen und Autoren schreiben sich ihren Liebeskummer von der Seele, bringen ihn auf die Bühne und schließlich landet dieser zwischen zwei Buchdeckeln: Das kann ja nur gute Laune machen. Zumindest den Autorinnen und Autoren. Beim Lesen aber kann man schon ganz schön schwermütig werden.
Absurde, skurrile und bizarre Bewältigungsstrategien
Dass das Sujet so ausgelutscht ist, gereicht den vertretenen Slammerinnen und Slammern zum Vorteil: So können sie zeigen, dass sie abseits ausgetretener Pfade wandeln. Volker Surmanns „Monolog an einen Alleinstehenden“ zu Beginn macht direkt Lust auf mehr: Kein Frisch-verlassen-Rumgeheule, keine Unglücklich-verliebt-Lamentei, sondern das lebendige Gespräch eines lange alleinstehenden Menschen mit sich selbst; der Versuch, noch einmal Mut zu fassen, sich aufzubauen. Ein Versuch nur – denn manchmal ist man doch zu ehrlich zu sich selbst.
Auf ihre ganz spezielle Weise gehen der Bochumer Jan Philipp Zymny und Andy Strauß aus Münster – beide ob ihrer Durchgeknalltheit Szenegrößen – an das Thema heran. Zymny kommt mit einer Abfuhr klar, indem er rennt und schreit und Brüllaffen das Sprechen beibringt; Strauß verwechselt die siebte Klasse mit der Uni und das einzige, was er einlocht, ist der Strohhalm in die Caprisonne.
Poetry Slam kann auch unlustig, aber gut
„Schreiben statt jammern“ ist eine an vielen Stellen humorvolle Anthologie, insgesamt aber eine geistreiche und wortgewandte.
Es würde aber weder dem Thema noch den Autorinnen und Autoren gerecht werden, hätten die Herausgeber nur witzige Texte ausgewählt. Dabei haben es leider vereinzelte nichtssagende Stimmungs-Momentaufnahmen wie aus dem „Neon“-Magazin hineingeschafft.
Dass es auch anders geht, beweisen hingegen etwa Michael Jakob und RUB-Studentin Felicitas Friedrich. In seiner kunstvoll konstruierten „Geschichte von Ralf“ zeichnet Jakob drei psychologische Profile in einem. Felicitas Friedrich zeigt, wie schwer es ist, sich auch als Wortkünstlerin dann richtig auszudrücken, wenn es darauf ankommt. Wie die meisten ihrer Texte sollte man auch diesen lesen, um ihn zu verstehen, und hören, um ihn zu genießen.
Dieses Buch kann man getrost einem Freund oder einer Freundin nach der Trennung/einem kassierten Korb oder zum fünften sexlosen Jahr/dem zehnten Kack-Date hintereinander schenken mit den Worten: Lesen, nicht jammern.
:Marek Firlej
Karsten Strack und Dean Ruddock (Hg.):
„Schreiben statt jammern“Lektora-Verlag, 2016151 Seiten,35 Texte13,90 Euro
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