Am 7. Juni wurde der Deutsche Diversity-Tag von vielen Institutionen und Unternehmen gefeiert. Das vierte Mal hat der Aktionstag dazu aufgerufen, den Vielfaltsgedanken in den Fokus zu rücken. Auch die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) nahm daran teil und hat sich der Vielfältigkeit mit einem Tausch-Projekt gewidmet. So wurde zum Beispiel aus dem Präsidenten für zwei Stunden der Pförtner. Aus der Sicht der Uni eine erfolgreiche Aktion, für mich eine geschickt platzierte Image-Kampagne.
„Stell Dich nicht so an.“ Ein Satz, den jedeR wohl mal denkt, wenn es um andere Jobs als den eigenen geht. Wer hat sich nicht schon einmal dazu hinreißen lassen, über die Jobs anderer Leute zu lästern, sie als „einfache Aufgabe“ abzustempeln und sich gleichzeitig darin zu ergehen, der eigene Job sei der härteste und anstrengendste auf der ganzen Welt. Wie oft liest man den Satz „dann arbeite halt bei Aldi an der Kasse“, wenn man mal mit offenen Augen durch Facebook streift. Genauso häufig kommen aber auch Aussagen wie „Der da oben auf seinem weichen Bürostuhl weiß ja gar nicht; was Arbeiten wirklich bedeutet“. Was aber genau hinter diesen „einfachen Aufgaben“ steht, darüber denkt niemand nach.
Rangeklotzt?
In Mainz wurde nicht nur darüber nachgedacht, sondern der Deutschen Diversity-Tag auserkoren, um acht Tauschpaare einmal in eine fremde Welt schnuppern zu lassen. Mitgemacht hat auch Universitätspräsident Prof. Dr. Georg Krausch, der für zwei Stunden die Arbeiten des Pförtners übernommen hat. Werner Waldorf, Tauschpartner des Präsidenten und eigentlicher Mitarbeiter der Hauptpforte, musste im Gegenzug das Grußwort zur Fachtagung „Silver Surfer: Leben in der digitalen Welt“ halten – vor über 100 Leuten.
Gut gemeint und schlecht gemacht
Natürlich ist es wichtig, ein Bewusstsein und auch Wertschätzung für die Arbeit anderer zu entwickeln, aber wie genau soll diese Aktion dazu beitragen? Auf mich wirkt diese Aktion wie eine wohlplatzierte Image-Kampagne, die allein dem Zweck dient, das eigene Gewissen zu beruhigen – „Ich weiß genau, was der da durchmacht, schließlich bin ich ja für zwei Stunden in seine Fußstapfen getreten!“ Am Arsch.
Ein Beruf hat viele verschiedene Facetten, die man unmöglich in nur zwei mickrigen Stunden erfassen kann. Als ob der Präsident nun jeden Morgen durch die Pforte führe und sich denkt: „Der arme Kerl muss sich heute wieder mit so vielen verschiedenen Zufahrtsberechtigungen rumschlagen“ oder der Pförtner in den vorbeirollenden Palast von einem Auto (um dem Klischee mal die Ehre zu geben) schauen und sich überlegen würde: „Mit dem will ich aber auch nicht tauschen“.
Aber um nicht alles schlecht zu reden: Die Idee, sich die Welt aus einer anderen Perspektive anzusehen, ist gar nicht so übel. Vielleicht sollte man sich aber einen ganzen Tag dieser Aktion widmen oder gar eine Woche und nicht nur zwei Stunden. Einfach damit man einen wirklichen Einblick bekommt und nicht nur einen, den man medial aufbauschen kann, um gut darzustehen.
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