Bild: Böhmermann in Erdoğans Würgegriff: Wie dehnbar ist der Begriff der Satirefreiheit? , Abseits diplomatischer Empörung – was SatirikerInnen wirklich drohen kann Collage: alx

Seitdem Moderator Jan Böhmermann aufgrund seines Schmähgedichtes über den türkischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan nicht mehr nur im Rampenlicht, sondern auch im Fokus der Staatsanwaltschaft Mainz steht, drängt sich neben allen politischen und ethischen Fragen nun auch die juristische auf. RUB-Professor Klaus Bernsmann beleuchtete vergangene Woche die strafrechtliche Seite des Skandals und seine möglichen Folgen.

Es handele sich unzweifelhaft um Schmähkritik, erklärte der Inhaber des Lehrstuhls für Straf- und Strafprozessrecht. „Ja, und zwar eine geschmacklose.“ Aber auch geschmackvoller wäre sie verboten und fällt unter den Straftatbestand der Beleidigung von Vertretern ausländischer Staaten. Der ZDF-Moderator bekommt also möglicherweise Post von der Staatsanwaltschaft. Das jedoch ist für den Jura-Professor bereits ein Skandal. „Strafrecht ist für Mord, Betrug und Vergewaltigung da. Nicht um feuilletonistisch  ausgeschlachtet zu werden.“ Dies degradiere das Strafrecht in seiner Funktion, einen Opferausgleich zu schaffen.

Diskutabel sei auch, ob die im Mittelpunkt stehende Strafnorm im 21. Jahrhundert noch zeitgemäß ist. „Sie stammt aus der Entstehungszeit des Strafgesetzbuches, als wir noch ein gänzlich anderes Verständnis von Diplomatie hatten. Ausländische Staatschefs galten häufig als Hoheiten von Gottes Gnaden, es ging also um Majestätsbeleidigung“, weiß der Strafrechtler. Der Paragraf mag antiquiert sein, aber auch das hilft Böhmermann nicht. Denn im Moment gilt er und muss angewendet werden, wenn das Opfer den entsprechenden Antrag stellt. Das hat Erdoğan getan. Nur eine Abschaffung während des laufenden Verfahrens könnte die Wende bringen.

Strafe sei „unrealistisch“ 

Am Freitag hat die Bundesregierung ihre erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt. Opfer ist somit nicht der Privatmann Erdoğan, sondern der Staatspräsident. Die Entscheidungsmacht liegt, ganz nach rechtsstaatlichen Prinzipien, bei der Justiz. Politische AkteurInnen haben sich damit von der Bühne verabschiedet. Eine Versagung der Ermächtigung hätte ohnehin nicht viel geändert. In diesem Fall wären Ermittlungen wegen einfacher Beleidigung aufgenommen worden – auch hierfür gibt es hohe Strafen. 

Aufgrund des klaren Sachverhalts ist mit einem zügigen Abschluss der (ergebnisoffenen) Ermittlungen zu rechnen. Die Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe droht Böhmermann sehr wahrscheinlich nicht. „Soweit es überhaupt zur Eröffnung des Hauptverfahrens und einem Urteilsspruch kommt, ist mit einer Geldstrafe zu rechnen“, erklärt Professor Bernsmann. Das Gericht müsste dann abwägen, welches Interesse mehr Gewicht hat. In den meisten bekannten Fällen wird der Kunstfreiheit dabei der Vorrang eingeräumt. Die Ehre des Beleidigten hat das Nachsehen. Ein Freispruch ist dann nicht unwahrscheinlich. 

Vermutlich bleibt es also bei einer medialen Polit-Affäre, die erneut zu einer lebhaften Diskussion über das Verständnis von Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik und über die Wirkung von Satire führt.

:ksz

 

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