Alte Helden gegen alte Ideen: Eine vierte Indiana Jones-Fortsetzung mit dem dann schon 77-jährigen Harrison Ford wirkt wie eine Beruhigungspille.
Jäh wird das Ritual unterbrochen. Die aufgebrachten Herrschaften in schwarzer Ganzkörperverschleierung strecken gerade die Kalaschnikows in den Himmel und rufen dem Herrn da oben emotionale Grüße hinterher. Doch ein klingelndes Handy lenkt die Gotteskrieger bei der Enthauptungszeremonie ab. Für den Hutträger, der da gerade vor Kameras die Ungläubigkeit der Ungläubigen glaubhaft machen soll, die Gelegenheit: Schnell löst er sich von den Fesseln, schwingt sich mit seiner altgedienten Peitsche durch die Hallen und weicht akrobatisch dem Gewehrfeuersturm aus. Dann ertönt die bekannte Filmfanfare von John Williams: Indiana Jones ist wieder da. Den IS-Schurken stibitzt er die Reliquien, die gefälligst in die heimische Museumsvitrine gehören; die Renitenten kriegen Peitschenhiebe und Backpfeifen. Der Archäologe kommentiert die Szene mit einem coolen Spruch und greift zu seinem piepsenden Handy: Eine Erinnerung für den sichtlich gealterten Abenteurer, dass er seine Tabletten einnehmen muss.
So könnte eine Szene des neuen Indiana Jones-Films aussehen. Denn Disney verkündete jüngst, dass aktuell an einer vierten Fortsetzung des berühmten Franchise-Formats gearbeitet wird. Kinostart soll am 19. Juli 2019 sein. Harrison Ford soll noch einmal den Archäologen mit den wohl spektakulärsten Forschungssemestern spielen. Dann wird er schon 77 Jahre alt sein! Zu alt für eine solche Actionrolle? Gehen Hollywood nun endgültig die Ideen aus? Werden jetzt nur noch altbewährte Stoffe recycelt?
Harrison ist nicht allein
Es ist nicht der einzige Fall: Sein Kollege Sylvester Stallone hinkte neulich erneut in den Boxring, der 53-jährige Tom Cruise ließ sich für eine Szene ans Flugzeug binden (das wohl spektakulärste Face-Lifting) oder Star-Wars-Ikone Mark Hamill gab erst neulich sein Comeback als echter Crack-Jedi. Ernst kann man diese überreifen Actionfiguren nicht nehmen. Aber anscheinend gibt es wohl eine Sehnsucht nach den guten, alten Helden.
Zu seiner eigenen Motivation hat sich Ford schon geäußert: „Spaß“. Worum es in der Fortsetzung geht, welche Artefakte gesucht werden, ist schließlich irrelevant. Was Hitchcock mal weise einen „McGuffin“ genannt hat, trifft besonders auf die Indiana-Jones-Reihe zu: Ob geheimnisvollen Goldschatz, der Code für die Atombombe oder Rezept für einen veganen Ananassalat – wichtig ist der Weg dahin. Heißt: Wem Indiana Jones auf der Leinwand eine Tracht Prügel besorgt. Waren es sonst Nazis, Stalinisten oder schräge Orient-Gurus, so bieten sich auch in der Gegenwart genug Projektionen. So hat der IS bekanntlich wertvolle Kulturgüter zerstört. Für „Indy“ sicher Grund genug, den Gotteskriegern das Handwerk zu legen. Kulturindustrie schlägt (oder peitscht) alles mit Ähnlichkeit.
Alte Helden gegen alte Ideen als wohldosierte Beruhigungspillen. Westliche Kulturhelden bekämpfen auf der Leinwand die Figuren, die sie in der realen, imperialistischen Welt erzeugen. Schon deswegen sollte man Indiana Jones um den wohlverdienten Ruhestand beneiden.
:Benjamin Trilling
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