Bild: Der Sonntagsspaziergang: Eine Freizeitbeschäftigung mit Tücken., Satire: Ritter des 21. Jahrhunderts: Köln und die Folgen Illustration: Christian G. H. Geißler um 1820

Ein Sonntagsspaziergang bringt schon einmal den Recken im deutschen Mann hervor. Besonders, wenn er ein Fräulein in Gefahr wähnt, wie diese exklusive Schilderung von einem Vorfall aus dem Kölner Umland zeigt.

Sie haben mich aus der Gewahrsamszelle geholt und jetzt sitze ich dem Bullen gegenüber. Er atmet schwer, scheint kurz vorm Platzen zu sein. Schließlich habe ich ihm auch ordentlich ein Paar gezimmert.

„Was haben Sie eigentlich hier verloren? Sie wohnen doch ganz woanders? Was treibt Sie hierher?“

Ich antworte ihm, dass ich und meine Bikerfreunde Luft holen, einen Ausflug machen und uns an unserer herrlichen Kultur erfreuen wollten. Maschine poliert, Helm gewichst, Kutte an und los ging’s.

„Nachdem Sie ankamen, was haben Sie dann gemacht?“

Meine Beschreibung fängt mit dem Wegstellen der Maschinen an und dann berichte ich ihm, dass wir uns prickelndes, kaltes Bier gekauft haben. Dem Schwein gegenüber läuft schon der Speichel aus dem Maul. Ich fahre fort, dass wir noch eine Weile auf der Wiese vor den Toren des Städtchens gesessen hätten.

„Ja, ja, alles schön und gut. Dass sie eine Gruppe von Türken gejagt haben, stand wohl auf dem Besichtigungsprogramm? Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen?“

Holde deutsche Maiden

Die Schilderung meinerseits beginnt mit dem Einzug durch das Stadttor und wie beeindruckt wir von den alten Häusern waren. Bis dahin war noch alles normal. Doch plötzlich begann die Umgebung zu verschwimmen und alles verwandelte sich: Es waren keine Autos mehr auf der Straße, die Männer trugen Rüstungen oder edle Fellwamse. Lange Gewänder zierten die Frauen, sie erschienen uns zerbrechlich, hilflos – schlicht damenhaft.

Dann sahen wir eine Gruppe, die fürchterlich ausschaute. Klein, untersetzt, von dunkler Hautfarbe waren sie, mit gekrümmten Nasen und öligen Augen. Um ihre Köpfe waren Turbane gewickelt und in ihren Gürteln steckten Dolche. Sie sprachen die Frauen an, lächelten gar – da hatten wir genug. Wer seine Frauen nicht verteidigen kann, der hat die Zukunft seines Landes verloren.

„Sie haben also die Gruppe angegriffen, weil sie Frauen ansprachen und sie Ihren offensichtlich halluzinierenden Freunden und Ihnen fremdländisch erschienen?“

Die Ehre unserer Frauen stand auf dem Spiel – nach Köln kann man doch sowas nicht mehr zulassen. Diese Gutmenschen lassen so etwas schließlich einfach geschehen. Ich beschreibe ihm die lüsternen Blicke der Männer. Er unterbricht mich.

Atemlos auf Menschenhatz

„Was geschah, nachdem Sie die Gruppe gesehen haben, wie kam es zu den Jagdszenen?“

Rangeleien, Sprüche und Faustschläge, erzähle ich: Da haben wir uns wie Ritter gefühlt. Endlich hatten wir einmal die Oberhand. Die Gruppe ist geflüchtet und wir hinterher. Wir wollten sie zur Strecke bringen und kamen ziemlich ins Prusten und Japsen dabei.

Der Polizist hat genug gehört und lässt mich wieder in die Gewahrsamszelle bringen. Am nächsten Tag lese ich in der Zeitung, die man mir in die Zelle geworfen hat, dass die Frauen sich nicht von den Fremden belästigt fühlten, sondern von uns. Ich verstehe die Welt nicht mehr.

:Jan Freytag

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