Wenn es keinen Krieg gibt, sind auch PazifistInnen realitätsferne Trottel.
„Und weil der Soldat nach Verwesung stinkt, drum hinkt ein Pfaffe voran, der über ihn ein Weihrauchfaß schwingt, daß er nicht stinken kann.“ – Bertolt Brecht, „Legende vom toten Soldaten“.
Während sich die wichtigsten Minister des Präsidenten hinter ihm aufbauen, stehen die Kameras schon bereit: nur kurz wischt Franklin D. Roosevelt mit dem Füller über das Dokument und die Kriegserklärung gegen das Deutsche Reich ist am 11. Dezember 1941 vollzogen. Ein deklarativer Akt, der heute nostalgisch anmutet.
Frankreichs Präsident Hollande fiel fast aus der Reihe, als er feststellte: „Wir befinden uns im Krieg.“ In Zeiten, in der Militärkonflikte durch Obama, Putin und Co nicht nur heimlich und „sauber“ – durch Drohnen oder versteckte Unterstützung – geführt werden, sondern im vorherrschenden Diskurs Krieg nicht mit Krieg gleichzusetzen ist. Ein Sophismus, wie er in der militaristischen Kommunikationsstrategie Hochkonjunktur erfährt.
Die Rolle, die Brecht in seiner Legende über den toten Soldaten dem Pfaffen zuweist, wird heute durch eben diese Diskursstrategien übernommen: den Gestank des Krieges ideologisch zu kaschieren. Durch PolitkerInnen, Intellektuelle und andere heutige „Pfaffen“ wird propagiert, dass militärische Interventionen des Westens vor allem Frieden und Wohlstand exportieren und dass eine politische Komplexität vorherrscht, die sture pazifistische Haltungen als realitätsferne Ideologie erscheinen lassen. „Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns bist“, heißt es etwa in der jüngsten Werbeoffensive der Bundeswehr. Das klingt hip, ironisch und nach einem souveränen Anspruch, entgegen antimilitaristischen Gutmenschen zu wissen, dass es manchmal nicht ohne Kriegseinsätze geht.
Trotz Xavier Naidoo und anderer Clowns!
Umso alberner wirken Xavier Naidoo oder andere mehr oder weniger antisemitische Clowns, wenn sie dagegen ansingen. Wer heute konsequent gegen jeden Militäreinsatz ist, wird im vorherrschenden Diskurs als naiver bis realitätsferner Ideologe dargestellt. Denn was spätestens nach der Ausrufung des Ausnahmezustands in Frankreich versucht wird, ist , den Terrorismus als „absoluten Feind“ in unsere Köpfe zu tragen.
Der Begriff stammt vom Philosophen und NS-Ideologen Carl Schmitt: Statt um territoriale oder herrschaftliche Ziele geht es im Kampf gegen den „absoluten Feind“ um ideologische Instanzen, die zu verteidigen sind: sei es „Gott“, eine „überlegene Rasse“ oder ein „Gesetz der Geschichte“. Das trifft auch auf den aktuellen Einsatz zu, der in fast orwellscher Dialektik im Namen der Demokratie geführt wird: Aufhebung der Menschenrechte im Auftrag der westlichen Werte, Einschränkung der Freiheit für ihre Verteidigung bis hin zum Krieg für den Frieden.
So wird der Krieg gegen den Terror als Ausnahmezustand zur Notwendigkeit der Demokratie. Erklären muss man ihn nicht mehr. Aber nach wie vor bekämpfen und anprangern! Denn Krieg stinkt immer noch. Genauso wie der mediale Weihrauch, der ihn umweht.
:Benjamin Trilling
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