Bild: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer putzt am meisten im ganzen Land: Obsessiver Putzfimmel und Entfremdung in „Das Zimmermädchen Lynn“. , Auf DVD: „Das Zimmermädchen Lynn“ Foto: movienet

Saubere Entfremdung: In der gleichnamigen Verfilmung einer Erzählung von Markus Orth zeigt Ingo Haeb das rätselhafte Psychogramm einer obsessiven Frau.

Warum sie in der Psychiatrie war, will Lynn ihren Arbeitskolleginnen nicht verraten: „Das ist meine Sache.“ Dass sie einen obsessiven Putzfimmel hat, erfährt man dagegen schnell: Lynn (Vicky Krieps) schrubbt und reinigt die Zimmer in einem Hotel mit krankhafter Perfektion. Eine ungewöhnliche wie tragische Figur begegnet den ZuschauerInnen in dieser Literaturverfilmung des gleichnamigen Romans von Markus Orth – isoliert und vereinsamt: Zur ihrer Mutter, die sie im Krankenhaus besucht, hat sie nur ein distanziertes Verhältnis; stumpfsinnig, fast instrumentell fickt sie mit ihrem Chef.

Nur beiläufig wird die Handlung geschildert: So akribisch, wie sie die Zimmer reinigt, schnüffelt sie auch in den Sachen der Hotelgäste herum und versteckt sich mit voyeuristischer Freude unter den Betten. Als sie schließlich zur Prostituierten eines Hotelgastes Kontakt aufnimmt, entwickelt sich eine scheinbar intime Beziehung …

Leise und vielschichtige Parabel

Die ausführlichen Reflexionen des Romans über die psychischen Probleme der Protagonistin werden im Film ausgeklammert; Regisseur Ingo Haeb, der auch das Drehbuch schrieb, lässt in sorgfältig kadrierten Einstellungen Raum zur Beobachtung und tastet sich nur vorsichtig heran an diese brüchige und labile Figur, die Vicky Krieps zurückhaltend als Unglückliche wie Getriebene ihres Putzfimmels und Jobs verkörpert.

Was zunächst an den realistischen und reduzierten Stil der Berliner Schule erinnert, wird dann doch durch traumähnliche Szenen gebrochen, die das Begehren dieser ungewöhnliche Figur nur rätselhaft andeuten: sexuelle Identität, Obsessionen, Einsamkeit und Perversionen – „Das Zimmermädchen Lynn“ ist eine leise und vielschichtige Parabel über gesellschaftliche Entfremdung und seelische Abgründe.

:Benjamin Trilling

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