Es ist wieder Pilzsammelzeit – während das für manche bedeutet, die Essbaren häufiger auf ihrem Teller wieder zu finden, begeben sich andere gezielt auf die Suche nach psychedelisch wirksamen Sorten. Magische Eigenschaften sollen diese mit sich bringen, sodass bereits die Azteken vom „Fleisch der Götter“ sprachen. Was steckt in der spirituellen Selbstfindungsdroge?
Unter „Magic Mushrooms“ sind die Hütchen erst seit einem bahnbrechenden Selbstbericht im amerikanischen Life-Magazin bekannt. Der Amateurforscher Robert Gordon Wasson nahm bei einem indianischen Ritual in Mexiko psychoaktive Pilze und teilte seine Erfahrungen in einem fotografischen Essay mit dem Titel „Seeking the Magic Mushroom“.
Im Anschluss folgte eine Welle reisewütiger Selbstversuche: Zahlreiche Neugierige pilgerten nach Mexiko, um dort ihr eigenes rituelles Erlebnis zu finden. Derweil forschte der für LSD bekannte Chemiker Albert Hofmann in seinem Labor am Wirkstoff selbst – natürlich nicht, ohne mal einen Happen zu probieren.
Wie LSD, nur sanfter
Das in mehr als 200 Pilzarten vorkommende Psilocybin ist der Schlüssel zum Rausch – im Körper abgebaut ähneln die Reste dem Glückshormon Serotonin und lösen nach rohem Verzehr Euphorie, Entspannung und Wohlgefühl aus. Die richtige Dosis ist allerdings sehr schwer zu finden. Jede Art ist unterschiedlich stark wirksam; und selbst innerhalb einer Art variiert der Wirkstoffgehalt zwischen den einzelnen Pilzen, sodass manchmal zehn, manchmal 40 Stück gegessen werden müssen.
„Es ist schwer zu beschreiben, wie man sich beim ersten Einnehmen fühlt. Heute weiß ich, dass ich vor dem Essen der Pilze halbwegs ungesättigt sein muss – dann wirken sie schneller. Mein Puls wird schneller, wenn der Trip beginnt. Ein Mal war es megageil: Ich saß draußen auf einem Felsen und dachte, dass der Himmel brennt, dabei ging nur die Sonne auf.“
Xaver, 25, Student
Viele KonsumentInnen berichten von einer veränderten Wahrnehmung der Zeit, der Umwelt und ihres Körpers. Spirituell veranlagte Menschen sprechen häufig von mystischen Erfahrungen während ihrer Räusche. Ähnlich wie LSD lösen Magic Mushrooms Trugbilder aus; sie wirken jedoch nicht so umfassend auf das Gehirn wie die künstliche Droge, sodass der Rausch häufig als sanfter beschrieben wird.
Set & Setting
Genauso schwierig, wie die richtige Dosis abzuschätzen, ist auch die Vorhersage dessen, ab wann eine Wirkung zu spüren ist und wie lange diese andauert. Die Wahrnehmungsveränderungen treten meist innerhalb der ersten zwei Stunden nach Einnahme auf und können bis zu acht Stunden andauern.
„Als ich Pilze nahm, habe ich mich in meiner 56-Quadratmeter-Bude verlaufen. Alle Zimmer sind nebeneinander, die man durch einen Flur erreicht. Ich suchte Taschentücher, weil meine Freundin auf ihrem Trip einen Heulkrampf bekam. Der Flur zog sich für mich in die Länge und ich hatte das Gefühl nie die mittlere Tür erreichen zu können, entweder die vordere oder die hintere.“
Mark, 32, Student
Die Art des Rausches hängt jedoch nicht nur von der aufgenommenen Menge des Wirkstoffs ab, sondern auch von der Verfassung der KonsumentInnen sowie der Umgebung – stimmt eines dieser Faktoren nicht, können Pilze neben Übelkeit auch Panikattacken auslösen. In seltenen Fällen können sich etwaige Horrortrips zu einer länger anhaltenden Störung mit Flashbacks entwickeln.
Laut bisheriger Forschung scheint die Einnahme von halluzinogenen Pilzen nicht abhängig zu machen. Dennoch gelten sie als gefährliche Droge – denn nicht selten erwischen manche Sammler versehentlich eine giftige Art, was erhebliche Gesundheitsrisiken mit sich bringt. Doch einfach vom Dealer an der nächsten Ecke kaufen, ist auch nicht unbedingt das Sicherste: Häufig bekommt man dort nur stinknormale Pilze, deren psychedelische Wirkung dem LSD geschuldet ist, das ihnen vorher gespritzt wurde.
:Melinda Baranyai und Katharina Cygan
Steckbrief: Pilze
Erste Räusche: 1000 v. Chr. in Lateinamerika
Wirkstoff: Psilocybin
Wirkung: halluzinogen, euphorisierend
Zu sehen in: „Natural Born Killers“
In unserer Drogenreihe stellen wir Euch die Wirkungsweise verschiedener Substanzen vor – Erfahrungsberichte treffen auf Wissenschaft.
Lest hier auch den anderen bisher erschienenen Artikel der Reihe:
„Schmetterling trifft Handgranate“
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