Bild: Die wilden 70er: „Die Bogestra ist ungeheuer / erstens scheiße / zweitens teuer“, hieß es damals – und Proteste gegen Ticketpreise wurden polizeilich bekämpft. , 50 Jahre RUB: Eine Chronik Fotoquelle: :bsz 75, 7. April ’71
1960 Bochum gewinnt gegen Dortmund! Ja, 102:87 steht es am Ende für Bochum gegen den Ruhrpott-Rivalen aus Dortmund. Was sich für VfL-Fans wie ein schöner Traum anhört, ist aber keine Fußball-Episode, sondern das Abstimmungsergebnis des Landtages über den Standort der ersten Universität für das Ruhrgebiet. Am Ende steht ein klarer Kantersieg der Querenburger „Provinz“ über die Dortmunder Metropole. Erst 1968 zog Dortmund mit der TU als Universitätsstadt nach.
 
1964 2. Januar Der deutsche Aktienindex (DAX) verzeichnet einen Boom der Betonindustrie. Trotz der damals heißen Phase des Kalten Krieges, in der überall Atombunker aus dem Boden gestampft werden, wird der meiste Beton nach Bochum geliefert, wo auf dem Rand einer Anhöhe über den Kemnader See ein wahres Ornament der Beton-Bau-Kunst entsteht. Das architektonische Konzept stammt von Helmut Hentrich, der die Uni als einen „Hafen im Meer des Wissens“ beschreibt. Doch schon in den Folgejahren gibt es ab 1968 die erste Meuterei der Studierenden.
 
1965 10. November Nach Eröffnungsfeierlichkeiten im Sommer beginnt das erste Semester an der RUB; die ersten Studierenden kommen auf dem neu gebauten Campus an und suchen die Räume ihrer Vorlesungen und Seminare auf.
13. November Die Studierenden haben die Räumlichkeiten gefunden.
 
1967 15. Februar Der allgemeine Studierendenausschuss (AStA) gibt die Bochumer Stadt- & Studierendenzeitung (:bsz) heraus. Was zunächst als Bleiwüste (mit Propaganda, Werbung und Titten) begann, wurde nicht nur zur ältesten kontinuierlich erscheinenden Studierendenzeitung Deutschlands, sondern entwickelte sich im Laufe der Zeit auch zum weltweit beliebtesten Verdauungsbegleitmedium der RUB-Mensa.
 
1968 Im Frühling des Protest(haupt)jahres verläuft sich in den weiträumigen Betonkulissen auch die Bundesstaatsanwaltschaft, die wegen eines beschlagnahmten Penis’ angerückt ist – genau genommen  wegen eines sprechenden Genitals in Helmuth Costards Film „Besonders wertvoll“. Der wurde filmföderungskritisch so skeptisch beäugt, dass die geplante Aufführung des Streifens auf dem Oberhausener Kurzfilmfestival von der Festivalleitung abgeblasen wurde. Aus Protest zogen auch die anderen RegisseurInnen ihre Beiträge zurück. Die engagierten CineastInnen des damals frisch gegründeten Studienkreises Film (SKF) entschieden sich daraufhin, Costards sprechenden Penis auf der Leinwand im HZO 10 aufzuführen. Doch die Kopie, die man an der Staatsanwaltschaft vorbei schiffte, wurde dann wieder von den Beamten an der RUB einkassiert. Erst 1971 wurden die Ermittlungen gegen den SKF „mangels Tatverdacht“ eingestellt. Seitdem wissen wir: Kultur ist auch an der grauen RUB möglich!
 
1976 17. November Fast 2.000 Studierende drängen sich im Hörsaalzentrum Ost. Der Liedermacher Wolf Biermann ist zu Gast – und erfährt hier von seiner Ausbürgerung aus der DDR. Das merkt man dem Dissidenten an, er wirkt nervös, der Konzert- und Diskussionsabend wird zur chaotischen „Vollversammlung“.
 
1983 Oktober Das Berlin-Kreuzberg der RUB – so in etwa könnte man die Situation Anfang der 1980er im Bochumer Heusnerviertel beschreiben: Rund um der Pendler-Uni wurden bereits Studierendenwohnheime gebaut, doch der reichte nicht mehr für alle Studierenden aus. Einige leerstehende Wohnräume im Heusnerviertel wurden dann durch einen Vertrag mit dem Akafö an Studierende vermietet – für einen nur symbolischen Betrag: Eine D-Mark pro Wohnung zuzüglich Nebenkosten! Im Oktober 1983 werden dann erste Abrisspläne der Stadt bekannt, doch die Studierenden widersetzten sich der Räumung und besetzten die Häuser. Der Kampf gegen den Abriss des Bochumer Heusnerviertels entwickelt sich neben dem Dorstfelder Wohnungskampf oder der Besetzung des Heidhof-Komplexes in Dortmund zum wichtigsten Kapitel der jugendlichen Hausbesetzerszene im Ruhrpott. Aus dieser Zeit zeugt nur noch das Kulturzentrum Thealozzi, das bis heute genutzt wird.
 
2000 Oktober Es geht ein Poltergeist an der Uni um – der Geist Margaret Thatchers schlägt sich an der RUB nieder. Nach den Bologna-Reformen wird auch die RUB zur neoliberalen Uni mit Bachelor- und Master-Studien reformiert. Eine Verschulung des Studiums, Regelstudienzeit-Drill und stumpfsinniges CP-Sammeln verdrängen zunehmend freie Campus-Kultur und kritisches Lernen und Denken.
 
2007 31. Januar: Nachdem im Mai 2006 allgemeine Studiengebühren eingeführt werden, besetzen Studierende aus Protest das Querforum West und rufen die „Freie Uni Bochum“ aus. Dort finden Workshops, Seminare, Kulturveranstaltungen aber auch Partys statt. Der damalige AStA  versucht, zwischen der Freien Uni und dem Rektorat zu vermitteln und fordert wie viele Studierende und einige Dozierende eine dauerhafte, selbstverwaltete Nutzung des heutigen Q-West.  Doch am Morgen des 31. Juli 2007 lässt Ex-Rektor Weiler die Freie Uni Bochum durch die Polizei gewaltsam räumen.
 
2015 4. Juni Die RUB feiert ihren 50. Geburtstag und putzt sich fein heraus: In zwei Tagen will sie für ein großes Verkehrschaos im Bochumer Süden sorgen, indem sie die Universitätsstraße und eine Teilstrecke der U35 sperrt – einen Tag lang wird blau gemacht. Dafür wird auch der inzwischen Kultstatus genießende Schmierschriftzug „Beton brennt doch“ entfernt. 
14. Juli Der alte Schriftzug erstrahlt in neuem Glanz.
 
 

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