Bild: Sniper-Killer Christopher Kyle zu Talkmaster Conan O’Brien: „Ich bin nur ein Affe mit einer Waffe.“, Filmkritik: „American Sniper“: Eastwoods Inszenierung spaltet die Massen Karikatur: ck

Christopher Kyle war Amerikas erfolgreichster Scharfschütze. 160 vom Pentagon bestätigte „Abschüsse“ gehen auf das Konto des gebürtigen Texaners – nach seinen Angaben sollen es mehr als 250 gewesen sein. Vermutlich  Grund genug für Clint Eastwood, die Lebensgeschichte des umstrittenen „Kriegshelden“ zu verfilmen. American Sniper läuft seit heute in den deutschen Kinos und wurde am vergangenen Wochenende mit einem Oscar ausgezeichnet.

Bereits im Zuge der Oscar-Nominierungen sorgte Eastwoods neuer Film für reichlich Trouble und polarisierte flächendeckend. In den Vereinigten Staaten ist man sich uneins, wie man den neuen Streifen bewerten soll. Für die einen ist American Sniper eine Hommage an das amerikanische „Heldentum“ – für die anderen eine verquere Darstellung der Wirklichkeit, mit der man sich angesichts der jüngsten Kriegsgeschichte nur schwer arrangieren kann.

Der Film erzählt die Lebensgeschichte des US-Scharfschützen Christopher Kyle (gespielt von Bradley Cooper), der aufgrund seiner „Abschüsse“ im Irakkrieg Berühmtheit erlangte. Insgesamt vier Einsätze bestreitet der US-Navy SEAL, bevor er schließlich nach Hause zurückkehrt. Dort angekommen, muss er sich ganz anderen Herausforderungen stellen – zum Beispiel seiner Frau (gespielt von Sienna Miller) und seinen Kindern.

Emotionsloser Antagonismus – Gut und Böse

American Sniper ist kein Antikriegsfilm und auch kein Biopic. Der Film mutet wie eine frisierte Interpretation dessen an, was Christopher Kyle tatsächlich gewesen zu sein scheint – ein Mann, der Freude an dem hatte was er tat und auch keinen Hehl daraus machte. Schaut man in seine Autobiographie, bekommt man den Eindruck, man lese die Zeilen eines Soziopathen mit Waffenschein. Dem gegenüber steht Kyles filmisches alter ego. Zu offensichtlich ist Eastwoods Versuch, den Taten der Hauptfigur einen heldenhaften, nachvollziehbaren Anstrich zu verleihen. Obwohl Kyle nur in einigen Szenen in sein inhärentes Schwarz-Weiß-Denken verfällt, färbt es den gesamten Film und dominiert einen Großteil der visuellen Darbietung. Dies wirkt oftmals befremdlich, teils verwirrend und für KennerInnen seiner Biographie sogar unverständlich.  Streckenweise hat man das Gefühl, die Hauptfigur sei eine völlig andere als jene, welche die biographische Vorlage lieferte.

Nun könnte man meinen, alles was bleibe, sei ein Propagandafilm, der einem Schießwütigen einen Hauch von Menschlichkeit verleihen möchte. Dem ist aber nicht so. Trotz der verzerrten Darstellung Kyles, die wiederholt von der biographischen Vorlage abweicht, erhalten Eastwood und Drehbuchautor Jason Hall einige Charakterzüge. Leider geht dem Film dabei der geopolitische Komplex komplett verloren. In einem Videointerview sagte Cooper jüngst, dass es bei dem Film nicht um den Krieg in Afghanistan und dem Irak gehe, sondern vielmehr um die Figur Christopher Kyles. Dass der Spielort größtenteils egal zu sein scheint, merkt man Eastwoods neuem Machwerk durchweg an. Tatsächlich hat man nach einiger Zeit des Zusehens den Eindruck, es sei vollkommen belanglos, welche Menschen dort ins Jenseits geschickt werden – man wird Teil des Abstumpfens.

Einzig und allein Bradley Coopers Darbietung rettet über diese Passagen. Die Szenen, in denen Kyles Frau an dessen Gefühlswelt zu verzweifeln scheint, sind die wenigen emotionalen Lichtblicke, die der Film den ZuschauerInnen bietet und die dem Ganzen etwas menschliche Tiefe verleihen. Abseits dieser Auseinandersetzungen, in denen Kyles widersprüchliches Weltbild kurz wankt, herrscht emotionale Tristesse. 

Vollends abhandengekommen ist Eastwood auch der unrühmliche Tod des  Protagonisten. 2013 wurde Kyle von einem 25-jährigen Veteranen, der an einer posttraumatischen Belastungsstörung litt, auf einer Schießanlage in Texas erschossen. Tragisch. In seinem Buch behauptete Kyle einst, er sei unbesiegbar. Der Mordprozess wird aktuell in den USA verhandelt. Für den Film kein schlechter Zeitpunkt. Seit Anfang Januar hat American Sniper bereits mehr als 300 Millionen US-Dollar an den Kinokassen eingespielt (bei Produktionskosten in Höhe von ca. 90 Millionen US-Dollar).

Letztlich ist American Sniper trotz seiner Widersprüchlichkeiten und gerade aufgrund seiner kontroversen Thematik ein sehenswerter Film: allein aus dem Grund, weil er zwischen dem ganzen Schwarz und Weiß zum Nachdenken und Reflektieren anregt – einerseits über seine Machart und andererseits über die Geschichte, die er erzählt.

:Christian Kriegel

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