Bild: Verzweifelte Leidenschaft: Für den Hauch einer Ewigkeit können Peter (Damir Avdic) und Katarina (Jessica Maria Garbe) dem Internatsknast entfliehen. , Theater Unten ganz oben: Junges Schauspielhaus brilliert mit Bühnenfassung von Høeg-Roman Foto: Diana Küster

Ein sehr berührender Theaterabend: Nach einer fulminanten Premiere der Bühnenfassung von Peter Høegs „Plan von der Abschaffung des Dunkels“ (Regie: Martina van Boxen) vor ausverkauftem Haus war auch die zweite Vorstellung des Jungen Schauspielhauses im vollbesetzten Theater Unten ein phantastischer Erfolg. Die :bsz-Empfehlung: Unbedingt hingehen!

Die Bühne ist dunkel. Nur ein einziger Strahler wirft sein gleißendes Licht auf einen älteren Mann, der immer wieder auf einer klappernden Reiseschreibmaschine tippt und ab und zu innehält, um die Brille in die hohe Stirn zu rücken, wo sie den schütteren Haaransatz berührt, grau wie sein Vollbart. „Zeitlandschaften – ohne Zeit gelebt“, beschreibt der alte Peter (Michael Habelitz) rückblickend das Setting, in dem sich die Bühnenfassung von Peter Høegs Internatsroman „De måske egnede“ (wörtlich: „Die vielleicht geeigneten“) abspielt. Hölzerne Sprossenwände, die scharfkonturierte Schatten werfen, prägen das minimalistische Bühnenbild und konturieren das Inventar des als (Zeit-)„Laboratorium“ charakterisierten Internats, das Ort des Geschehens ist. Das Publikum spürt unwillkürlich: Ungeheuerliches bahnt sich seinen Weg.

Liebe und Hass lassen sich nicht reglementieren

Privatschulleiter Biehl hat einen Plan, der einem eigentlich tief humanistischen Grundgedanken folgt – einen Plan zur Abschaffung des Dunkels. Dieser geht auf den dänischen Theologen und Begründer der Volkshochschul-Idee, N. F. S. Grundtvig (1783 – 1872) zurück, der den Menschen einst als „göttliches Experiment“ bezeichnete. Aber nicht nur die dunkle Seite der menschlichen Seele entzieht sich jedem erzieherischen Versuch bürokratischer Reglementierung: So enfaltet sich die Liebe zwischen der 16-jährigen Internatsschülerin Katarina (Jessica Maria Garbe) und der – teils autobiographisch inspirierten – Figur des jungen Peter (Damir Avdic) schließlich dennoch. Gleiches gilt jedoch auch für den unbändigen Hass des traumatisierten Mitschülers August (Matthias Eberle), der bald nach seiner Ankunft im Internat aufhört zu sprechen.

Während sich Peter aufopfernd um seinen Zimmergenossen August kümmert und zugleich gegen eine Traumatisierung durch Gewalt- und Missbrauchserfahrungen in dem zum Terrorapparat mutierten Internatssystem ankämpft, flüchtet sich Katarina in die fixe Idee, einen höheren Plan hinter dem ‚Zeitterror‘ zu ergründen, der den Alltag der Jugendlichen prägt. Leitmotivisch wird der Schulterror nicht nur durch die Schläge des Internatsleiters, sondern – unterstützt durch sehr passende minimalistische Musik (Manuel Loos) – auch durch die immer wieder ertönende Schulglocke charakterisiert, die zum zeitzerteilenden Medium einer höheren Macht stilisiert wird: „Mit dem Messer des Lichts wollen sie das Dunkel sauberschaben.“ Dennoch kann kein in das Gegenteil seines humanistischen Anspruchs kippender bürokratischer Reinheitswahn die finale Eruption von Liebe und Hass verhindern…

 

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