Bild: „Stilles Land“: Andreas Dresens Film über den Mauerfall und „Warten auf Godot“ bei den 4. Wende-Filmtagen in Bochum., 4. Bochumer DEFA-Filmtage im Endstation Kino über die Revolution 1989/90 Foto: DEFA-Stiftung, Michael Loewenberg

Aufbruch und Resignation: Filme wie Andreas Dresens „Stilles Land“ oder Frank Beyers „Der Verdacht“ fangen bei den 4. Bochumer DEFA-Filmtagen vom 3. bis 7. Dezember die Umbruchphase von 1989/90 ein – die letzten Filme der DDR, die zugleich das Ende des SED-Regimes aufgreifen. Filmwissenschaftler der RUB gaben in Einführungen und Filmgesprächen spannende Hintergrundinfos.

Filmexperte Rainer Vowe gibt dem Publikum einen wichtigen Hinweis für die Rezeption mit auf den Weg: „Achten Sie darauf, welchen Stellenwert hier die Liebesbeziehung hat. Ist sie eigenständig oder steht sie im Verhältnis zur DDR?“ Für die beiden Liebenden in Frank Beyers („Spur der Steine“) „Der Verdacht“ (1990) verhält es sich so: Eigentlich sollte deren Beziehung für sich stehen, aber der Staat mischt sich ein. So steht die Liebesbeziehung doch im Verhältnis zur DDR. Der von Michael Gwisdek gespielte SED-Funktionär zwingt seine Tochter, die Beziehung zu ihrem Freund, der von den Spitzeln als staatspolitisch bedenklich angesehen wird, zu beenden. Die Verfilmung der in der DDR verbotenen Erzählung „Unvollendete Geschichte“ des marxistischen Dichters Volker Braun macht das Eingreifen des stalinistischen Staats in die Privatsphäre und das Untergraben der Selbstentfaltung beeindruckend spürbar.

Nicht nur historisch spannend: Der DEFA-Blick

Auf literarischen Stoff greift auch Andreas Dresens („Halt auf freier Strecke“) in seinem Regiedebüt  „Stilles Land“ von 1991 zurück. Irgendwo in der DDR-Provinz soll Beckets „Warten auf Godot“ inszeniert werden, während aus der Ferne die Nachricht vom Mauerfall kommt. Aber die Aufbruchstimmung will nicht so recht bei jedem ankommen, das geprobte Stück gibt der Situation eine metaphorische Perspektive – ein absurder Blick auf die „Wende“.

Mehr VerliererInnen als GewinnerInnen dieser Wende zeigt auch der Dokumentarfilm „Kehraus“ von Regisseur Gerd Kroske. Drei StraßenreinigerInnen kehren den Müll und Schutt (der Vergangenheit?) weg, im Hintergrund künden Werbe- oder Wahlplakate mit Kohl-Konterfeis vom Neuen, den „blühenden Landschaften“; die Restauration des Kapitalismus hält Einzug, der Aufbruch verpufft auch bei den porträtierten ReinigerInnen in Resignation – eine spannende, abwechslungsreiche Perspektive auf das Ende der DDR.

Das ist nicht selbstverständlich, wie auch Rainer Vowe in seiner Einleitung zu den DEFA-Filmtagen erwähnte: „Was gibt es denn von der DDR von ihrem Ende aus betrachtet?“ Drei unterschiedliche Filmarten zählt der Filmwissenschaftler im Kinosaal auf: Zum einen gibt es popkulturellen DDR-Streifen wie „Sonnenallee“ oder „Goodbye, Lenin“, die suggerieren, dass die DDR zusammengebrochen ist, weil sie keine Coca-Cola oder die falsche Popmusik hatte. Dem gegenüber stehen westdeutsche Schinken wie Schlöndorffs „Die Stille nach dem Schuss“ oder der Oscar-Gewinner „Das Leben der Anderen“ und der dritte Blick auf die DDR, „der DEFA-Blick“, so Vowe. Und der ist nicht nur filmhistorisch spannend. Denn auch die Schrecken an Europas Außengrenzen lassen keinen Staub auf diese letzten Streifen der DDR kommen. Freiheit bleibt hier genauso auf der Strecke. Entfremdung, soweit man blickt. Daneben der große Blick auf (Bewegungs-)Freiheit und Gerechtigkeit in den Filmen: Aufbruch und Rebellion. Das ist der hoffnungsvolle, der vierte Blick. Der richtet sich aber nicht mehr auf die DDR.

:Benjamin Trilling
 

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