Bild: Schluss mit Ausbeutung: In ganz Deutschland demonstrierten PsychologInnen in Ausbildung und Studierende für bessere Bedingungen., PiA-Protest: PsychologInnen in Ausbeutung für bessere Bedingungen Foto: Robbie Schröter

Habt Ihr schonmal für 1,50 Euro die Stunde gearbeitet? Wenn nicht, würdet Ihr es denn tun? Vermutlich nicht. Zahlreiche PsychologInnen müssen das trotz abgeschlossenem Studium tagtäglich. Nebenher finanzieren sie die Weiterbildung zum/zur TherapeutIn aus eigener Tasche. Klingt unmöglich? Ist es beinahe auch. Darauf machte der bundesweite Protest angehender PsychotherapeutInnen Dienstag vergangener Woche aufmerksam.

Der Weg zum/zur TherapeutIn ist beschwerlich. Nicht nur für PatientInnen, auch für ihr Gegenüber. Wer therapieren möchte, muss enorm viel Zeit, Geld und Belastungsfähigkeit in seine Ausbildung stecken. Meistens so viel, dass frisch gebackene PsychotherapeutInnen statt mit unbändiger Energie eher mit einem Berg von Schulden in den Beruf starten.
Alles begann mit dem 1998 verabschiedeten Psychotherapeutengesetz, demzufolge nur entsprechend ausgebildete PsychotherapeutInnen therapieren dürfen. Dazu müssen sie nach einem Abschluss in Psychologie – damals noch Diplom – eine dreijährige Ausbildung  absolvieren, die sich aus theoretischen und praktischen Anteilen zusammensetzt. Erst nach dem Examen dürfen sie als staatlich anerkannte (approbierte) TherapeutInnen psychische Erkrankungen behandeln.

Jahre der Ausbeutung

Die Ausbildungsbedingungen jedoch sind oft miserabel. Während der Praxisphase arbeiten PiAs (PsychologInnen in Ausbildung) in Kliniken und therapieren unter Supervision eigenständig psychisch kranke Menschen. Dabei müssen einige auf ArbeitnehmerInnenrechte verzichten und sich mit gar keiner oder einer schlechteren Vergütung zufrieden geben als PraktikantInnen – nach einem abgeschlossenen Hochschulstudium und während einer Ausbildung, deren immense Kosten von durchschnittlich 30-40.000 Euro sie selbst übernehmen müssen. Viele PiAs machen diese daher in Teilzeit und arbeiten nebenher, um sich ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Das verlängert ihren harten Weg zur Approbation in der Regel um zwei Jahre und stellt eine extreme Belastung dar. Nicht die besten Voraussetzungen, um sich auf die Behandlung von Menschen einzulassen.

Bundesweiter Protest

Das meinen auch viele Studierende der Psychologie. Sie riefen dazu auf, am 4. November in ganz Deutschland auf die Straßen zu gehen, um auf die prekären Ausbildungsbedingungen aufmerksam zu machen. Auch in der Düsseldorfer Innenstadt wurde gegen die Missstände protestiert. „Die Passanten haben sich mehr als erwartet interessiert. Sie haben unsere Situation gut verstanden“, berichtet Luisa Machalz, eine der OrganisatorInnen: „Viele wollten sogar weiterhin informiert werden.“

Seit Jahren fordern PiAs und PsychologiestudentInnen immer wieder die Reform des Psychotherapeutengesetzes. Diese ist spätestens seit dem Wirken des Bologna-Prozesses fällig: Obwohl es die Master-Abschlüsse sind, die dem ehemaligen Diplom entsprechen, sind sie noch nicht als erforderliches Eintrittsniveau für die Ausbildung festgelegt. Darüber hinaus gibt es keinen Tarifvertrag, der die Bezahlung in der Praxisphase einheitlich regelt, und von ArbeitnehmerInnenrechten können die PiAs meistens nur träumen. Diese Punkte trug eine Gruppe engagierter PsychologInnen vor einigen Tagen im Landtag NRW vor – noch ohne konkretes Feedback, aber weitere Gespräche sind in Planung. Die Studierenden lassen sich nicht entmutigen: Sie engagieren sich weiter gegen die abschreckenden Bedingungen, denn sie sehen es nicht ein, ihren Berufswunsch deretwegen aufzugeben. Das ist auch gut so, denn es herrscht bereits jetzt eine Unterversorgung an psychotherapeutischen Angeboten  – die Wartezeit für einen ambulanten Therapieplatz beträgt im Schnitt bis zu sechs Monate.

:Melinda Baranyai

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