Am vergangenen Mittwoch tat sich recht wenig auf den deutschen Gleisen, denn die LokführerInnen und ihre Spartengewerkschaft GDL (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer) hatten zum bundesweiten Streik aufgerufen. Viele BahnkundInnen reagierten auf den nächtlichen Streik, der am Dienstag um 21 Uhr begann und am Mittwochmorgen um 6 Uhr endete, mit Unverständnis und Wut. Denn trotz des frühmorgendlichen Streikendes kam der Bahnverkehr am Mittwoch nur schleppend in Gang.
Anstelle der flächendeckenden Empörung, die der bundesweite Bahnstreik in der vergangenen Woche auslöste, hätten ein wenig Solidarität und Verständnis für die Streikenden keinen Abbruch getan. Schließlich geht es den Beschäftigten neben mehr Lohn und kürzeren Arbeitszeiten um eine allgemeine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse bei der Deutschen Bahn. Verbesserungen, die neuerdings nicht ausschließlich für die LokführerInnen durchgesetzt werden sollen, sondern auch für das übrige Bahnpersonal – darunter unter anderem ZugbegleiterInnen und BordgastronomInnen. Diese wurden bisher von der größeren Gewerkschaft EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) vertreten.
Eiserner Machtkrampf
Was sich im ersten Moment nach einer tollen und vertretbaren Absicht anhört, entpuppt sich jedoch recht schnell als trojanisches Pferd für die tatsächlichen Absichten von Gewerkschaftsboss Claus Weselsky. Der Vorsitzende der GDL verfolgt neben der horrenden Absicht, etwas für die Mitglieder der GDL rauszuholen, ein weiteres Ziel – er möchte die milder gestimmte EVG von der Spitze der deutschen Bahngewerkschaften verdrängen. Sollte die Bundesregierung ihr angestrebtes Gesetz zur Tarifeinheit durchsetzen, dürfte nur noch die größte in einem Unternehmen vertretene Gewerkschaft mit eben diesem verhandeln. Für die GDL, ihren Gewerkschaftsführer und seinen Stab wäre dies der Todesstoß. Wenig Verständnis für das Taktieren Weselskys zeigte auch sein umstrittener Vorgänger Manfred Schell. Dieser bezeichnete den aktuellen Kampfkurs als „Heiligen Krieg“, der allein das Ziel habe, das Ego des Gewerkschaftsbosses zu stärken.
Die Leidtragenden des Streiks
Am Ende könnten die Mitglieder der GDL selbst die Leidtragenden dieser festgefahrenen Bredouille sein. Schließlich wird der anhaltende Machtkampf auf ihrem Rücken ausgetragen – auch eine Erklärung dafür, warum sich bisher kaum etwas in den Verhandlungen zwischen GDL und Bahn getan hat. Seit Jahren herrscht hier Stillstand.
In Berlin scharren Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und die Arbeitgeber bereits mit den Hufen. Sollten die GDL-Mitglieder nicht endlich aufwachen und den aktuellen Kurs ihres Vorsitzenden hinterfragen, steuert die Gewerkschaft mit großer Geschwindigkeit auf ihren eigenen Untergang zu. Im Bundesarbeitsministerium scheint man nur auf einen Grund zu warten, um das umstrittene Tarifeinheitsgesetz endlich durchsetzen – und damit auch das Streikrecht beschneiden zu können.
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