Bild: Goldener Adler mit Flammenhaupt: Die Flagge der AramäerInnen., Orientalische ChristInnen demonstrierten in Köln gegen Islamisten-Terror Foto: Patrick Henkelmann

Im Irak und in Syrien sind die Kämpfer des „Islamischen Staates“ rasant auf dem Vormarsch. Immer weiter breitet sich das brutale Schreckensregime der Islamisten aus – Kriegsgefangene und Andersgläubige werden massakriert, Massenvergewaltigungen an Frauen und Kindern begangen, Männer gekreuzigt und Frauen gesteinigt. Den meisten ChristInnen in der Region droht der Exodus. Am Samstag vergangener Woche demonstrierten etwa 600 OrientchristInnen vor dem Kölner Dom, um auf das Leid und die Not ihrer Glaubensgeschwister im Nahen Osten aufmerksam zu machen.

Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), welche zuvor als „Islamischer Staat im Irak und Syrien“ (ISIS) bekannt geworden war, geht in den eroberten Gebieten mit extremer Intoleranz und Gewalt gegen alle Andersgläubigen vor. ChristInnen werden dort vor die Wahl gestellt, entweder unter Zurücklassen all ihres Besitzes zu fliehen, eine sehr hohe Sondersteuer zu zahlen, zum Islam zu konvertieren, oder aber „durch das Schwert“ zu sterben. Sofern sie nicht gleich willkürlich ermordet werden. Die Häuser christlicher EinwohnerInnen werden vom IS mit dem arabischen Buchstaben ن („Nūn“) gekennzeichnet – der für das Wort „Nazarener“ steht und damit die ChristInnen meint (als AnhängerInnen des Jesus von Nazareth).

Die Islamisten rücken vor

Der Islamische Staat will in den Bürgerkriegsländern Irak und Syrien – und weit darüber hinaus – ein sunnitisch-islamisch-homogenes „Kalifat“ errichten. In Syrien, wo die ebenfalls sunnitisch-islamistische Al-Nusra-Front zum IS terroristisch in Konkurrenz steht, ist der Bevölkerungsanteil der christlichen Minderheit von früher knapp zehn Prozent durch Flucht ins Ausland inzwischen deutlich geschrumpft. Im Irak ist die Zahl der ChristInnen seit dem Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003 von einer bis eineinhalb Millionen auf grob geschätzt um die 300.000 zurückgegangen. Die meisten davon leben heutzutage im kurdisch-kontrollierten Norden, so in der Ninive-Ebene nordöstlich der Großstadt Mossul.

Nachdem der IS Mossul im Juni eingenommen, die letzten paar tausend christlichen EinwohnerInnen von dort vertrieben hat und nun immer mehr angrenzende Gebiete erobert, befinden sich die Andersgläubigen in der Umgebung in großer Gefahr. Neben ChristInnen betrifft dies insbesondere turkmenische AnhängerInnen des schiitischen Islams sowie kurdische JesidInnen und Schabak. Zu den zentralen Forderungen der Kundgebung in Köln gehörte wegen dieser akuten Bedrohung die rasche Einrichtung einer international verteidigten Schutzzone in der Ninive-Ebene. Zudem wurde von den westlichen Ländern humanitäre Hilfe gefordert – sowie den Terror des IS endlich zu stoppen.

„Wir sind ein Volk!“

Wegen der Rolle der USA und Saudi-Arabiens bei den Bürgerkriegen im Irak und in Syrien und angesichts der Passivität der USA in Bezug auf den Vormarsch des IS, sagte ein Redner von der Jungen Aramäischen Union an US-Präsident Obama gerichtet: „Sie haben unsere Seelen für ein paar Millionen Barrel Öl verschachert, um ihr Hätschelkind, die Saudis, bei Laune zu halten. Für diesen Judaslohn haben Sie unser Volk verraten und verkauft! Das ist die bittere Wahrheit, meine Freunde!“ Auf der Bühne befand sich ein blutiges Bild, das von den IS-Islamisten ermordete christliche Frauen zeigte. Die Stimmung bei der Veranstaltung war aufgewühlt und düster, aber auch von Religiosität, Entschlossenheit und Kampfeswillen geprägt.

Verschiedene Gruppen von OrientchristInnen – „Aramäer, Assyrer, Chaldäer“ wurden von RednerInnen immer wieder beschwörend gerufen – demonstrierten gemeinsam und bezeichneten sich als „ein Volk“, als die „Suryoye“. Ein Teil der Redebeiträge wurde in dessen Sprache gehalten, dem Aramäischen, welches weltweit höchstens etwa eine halbe Million Menschen sprechen. Insofern war die Veranstaltung auch eine Gelegenheit, diese seltene semitische Sprache zu hören. Die meisten Redebeiträge waren auf Deutsch und vermochten teils auf mitreißende Weise, Einblicke in das Denken und Fühlen von Angehörigen dieser christlichen Minderheiten zu geben.

Es braucht Taten

Die Suryoye appellierten an die Menschen in der westlichen Welt, an Medien und PolitikerInnen, den Untaten der Islamisten mehr Beachtung zu schenken und entschlossen gegen diese vorzugehen. Von den großen islamischen Verbänden in Deutschland erwarten sie deutliche Worte gegen den IS und seinen blutigen Terror. Ein Teil der RednerInnen unterschied dabei klar zwischen dem Islam und der Mehrheit der MuslimInnen einerseits und dem Islamismus andererseits. Bei anderen RednerInnen ging es dagegen problematischerweise in eine pauschal antiislamische Richtung, anstatt eine differenzierte Betrachtung zu bieten, was den wichtigen Anliegen der Suryoye dienlicher gewesen wäre.

Am vergangenen Samstag fanden unter dem Motto „Save Our Souls“ bundesweit – so auch in Essen – und international erneut Demonstrationen von OrientchristInnen gegen den Terror des IS im Irak und in Syrien statt. Je mehr militärische Erfolge der Islamische Staat im Nahen Osten erzielen wird, desto schwerer wird dieses Thema und das damit verbundene Leid weiter zu ignorieren sein.

:Gastautor Patrick Henkelmann

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