Es ist der 17. Juli 2014. Einige hundert Studierende warten in der Mensa auf den Sonnenuntergang, denn dann können sie sich beim üppigen Schmaus die Wänste vollschlagen. Für die meisten von ihnen heißt es: endlich, nach über 16 Stunden ohne Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme.

Denn die meisten Anwesenden sind MuslimInnen – auch wenn ausdrücklich „alle“ eingeladen waren. Das „Interkulturelle Abendessen“, bei dem sie sich befinden, ist das allabendliche Fastenbrechen während des islamischen Fastenmonats Ramadan, nur in großem Stil und vom AStA und dem Autonomen AusländerInnenreferat organisiert. Während dieses Monats dürfen Gläubige weder essen noch trinken, solange die Sonne am Himmel steht. Klar, dass der Appetit am Abend groß ist und schön, dass das Fastenbrechen gemeinsam gefeiert wird. Umso besser, wenn sich dabei die Gelegenheit ergibt, fremde Kulturen kennenzulernen. Und ein paar Monate später feiern wir dann mit dem AStA gemeinsam das jüdische Pessachfest und dazwischen das hinduistische Diwali-Fest … Wie? Das tun wir nicht? Und Weihnachten? Nein, auch ein Weihnachtsfest für alle Studierenden organisiert der AStA nicht. Ich frage besser nicht nach einer Totenfeier für slawische Neuheiden.

Der :bsz-Artikel zum letztjährigen Interkulturellen Abendessen hat online viele Kommentare provoziert. Einige waren leider unverhohlen platt islamfeindlich. Doch ein Nutzer oder eine Nutzerin stellte religiöse Praktiken wie das Fasten generell in Frage: „Den Unterschied zwischen Selbstdisziplin und religiöser Torheit zu erkennen, ist Kultur – nicht die religiöse Torheit selbst.“

Religion ist oft eng mit Brauchtum verwoben. Doch den Brauch des Ramadan-Fastens nicht-religiös zu deuten, ist kaum möglich – im Gegensatz etwa zu den Neujahrsfesten der meisten Kulturen. Jeder und jede soll – wenn er oder sie es für nötig hält – seine/ihre Religion ungehindert ausüben dürfen. Ob studentische Gelder dafür ausgegeben werden sollten, sie dabei zu unterstützen, ist eine Sache, die diskutiert werden darf und muss.
 

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