Bild: Dies wäre Ihr Preis gewesen: Subversive Lichtkunst am Bergbaumuseum., Sein oder nicht sein: Die Widersprüche des Detroit-Projekts Foto: Katharina Cygan

Das Bochumer Schauspielhaus präsentiert seit Oktober 2013 die temporären Projekte des einjährigen internationalen Kunstfestivals in Bochum. Dabei kooperieren die VeranstalterInnen nicht nur mit KünstlerInnen aus Deutschland, sondern auch aus Polen, Großbritannien, Spanien und den USA. Seit dem 26. April fand das Sommerfestival des Detroit-Projekts statt, in dessen Rahmen in der ganzen Stadt Bochum Arbeiten internationaler KünstlerInnen zu sehen waren. Das Projekt sollte als kritisches Statement zur Schließung des Opelwerks in Bochum dienen. Mehrere tausend Arbeitsplätze werden abgebaut. Doch was hat eine Lichtinstallation mit dem Satz „How Love Could Be“ des Briten Tim Etchells am Fördergerüst des Deutschen Bergbaumuseums mit Bochum und Opel zu tun?

Die Idee des Detroit-Projekts ist es, ein Kollektiv aus den Städten Europas zu errichten, in denen die Menschen von der Schließung der Opelwerke betroffen sind. Dafür verbindet das Projekt vier europäische Opel-Städte: Zaragoza (Spanien), Ellesmere Port/Liverpool (England), Gliwice (Polen) und schließlich Bochum. Nach Angaben im Spielplan des Schauspielhauses will das Detroit-Projekt Strategien fördern, die Städte und ihre EinwohnerInnen dazu ermutigen, „nicht Opfer, sondern Akteure industriellen Wandels zu sein.“ KünstlerInnen, ArchitektenInnen, PlanerInnen und WissenschaftlerInnen aus den beteiligten Opel-Städten sollen Veränderungen hinterfragen und vorhandene Entwicklungen aufgreifen.

Einer dieser internationalen Künstler ist Tim Etchells. Der TheaterautorInnen und Lichtkünstler bereitete die großformatige LED-Installation „How Love Could Be“ für das Detroit-Projekt vor, die zur Eröffnung des Sommerfestivals gestartet wurde und bis zum vergangenen Sonntag am Förderturm des Bergbaumuseums leuchtete. Die Frage, welchem Kontext dieser Satz entrissen wurde, stellte sich bei den BetrachterInnen recht schnell. Der in roter LED-Schrift strahlende Satz „How Love Could Be“ ist ein Zitat der ersten Single des bekannten Plattenlabels Motown aus Detroit, welches 1961 „Bad Girl“ von „The Miracles“ veröffentlichte. Laut dem Festivalprogramm des Detroit-Projekts wolle Etchells die BetrachterInnen zur Reflexion über „die Verbindung von Detroit und Bochum, ihrer industriellen Geschichte und der gegenwärtigen wirtschaftlichen Kämpfe im Kontext von Deindustrialisierung und Globalisierung“ einladen. Die Idee war, dass dieser Ausschnitt aus dem oben genannten Lied die Frage bei dem/der Betrachtenden weckt, wie die Gesellschaft den Wandel, in dem sie sich befindet, bewältigt.

Schwierigkeiten beim Stadtbezug

Einige RUB-Studierende verfolgten das Detroit-Projekt intensiver und wunderten sich immer wieder über das Konzept von „This is not Detroit“. Nach der Eröffnung des Sommerfestivals verging nicht viel Zeit, bis die Idee aufkam, gemeinschaftlich einen kreativen und künsterlischen Kommentar zum Projekt zu organisieren. Zunächst darüber, dass nicht so richtig ersichtlich ist, was der Schriftzug „How Love Could Be“ mit Bochums Zukunft zu tun haben soll. „Dass es diese Verbindung geben soll, erschließt sich erst, wenn man weiß, dass dieser Satz eine Zeile aus der ersten Single des Plattenlabels Motown aus Detroit ist. Wenn man das weiß, wundert man sich aber unter Umständen noch mehr als vorher“, erklärt Birk-André, Lichtkünstler und Student der Theaterwissenschaft. Denn wenn die In­stallation inhaltlich einen Bezug zu Detroit herstelle, aber innerhalb eines Projekts mit dem Motto „This is not Detroit“ stattfindet, dann hebe dieser Negativbezug zu Detroit die Idee hinter dem Projekt wieder auf.

Zu diesem Motto hat die Gruppe einen weiteren Kritikpunkt: Es definiere das Projekt nur negativ, sage aber nicht aus, was es eigentlich ist. Es sei außerdem schade, dass viele lokale Ressourcen ungenutzt blieben und stattdessen internationale KünstlerInnen mit Arbeiten beauftragt wurden. „Es ist eine schöne Idee, andere (ehemalige) Opelstandorte in Europa in die Diskussion mit einzubeziehen. Man sollte aber auch nicht vergessen, dass die jeweiligen lokalen Potenziale so unterschiedlich sind, dass jede Region unter Einbezug dieser je spezifischen Potenziale ihre eigenen Wege finden muss“, überlegt ECUE-Studentin Valeska.

Dem Detroit-Projekt geht es darum herauszufinden, wie Bochums Zukunft aussehen kann. Die Studierenden vermissen mehr Beiträge von BochumerInnen, die an dieser Suche nach neuen Wegen nicht nur als Publikum und bei bestimmten Mitmachaktionen beteiligt sein sollten.

Intervention für Bochum

Um sich nicht nur zu beschweren, plante das 16-köpfige Kollektiv aus Studierenden und deren FreundInnen eine Intervention. Sie überlegten sich, mit demselben Medium, einer temporären Lichtinstallation, das Detroit-Projekt zu kommentieren; mit nur einem ausgetauschten Wort („How Light Could Be“) der Installation am Bergbaumuseum zu begegnen und dadurch einen Raum für Positionen zum Detroit-Projekt zu eröffnen, war die Intention. Mit dem veränderten Satz soll nicht nur das kritisierte Projekt reflektiert werden, sondern auch das eigene Medium. Wie hätte Lichtkunst im Rahmen eines Projekts, das die Zukunft einer ganzen Stadt und ihrer BürgerInnen thematisiert, anders ausfallen können? Im Vergleich zu den künstlerischen Arbeiten von „This is not Detroit“, die von einzelnen KünstlerInnen für die BürgerInnen konzipiert wurden, ist die Intervention „How Light Could Be“ entgegengesetzt angelegt: Der Satz kommt nur als gemeinsame Aktion der Gruppe zustande. Diese Art des kollektiven Vorgehens möchte die Frage aufwerfen, ob die Kunst im Stadtraum nicht viel eher aus der städtischen Gemeinschaft heraus hätte entstehen können.

8,51 Volt – es ist anstrengend, aber ist es auch schön?

Das Kollektiv saß auf nassem Rasen vor dem Bergbaumuseum. 15 von ihnen hielten die selbstentworfenen, grün leuchtenden LED-Buchstaben, die zusammen den Satz „How Light Could Be“ ergaben. Der 16. – Kai, Student der Medienwissenschaft, dokumentierte das Geschehen fotografisch und filmisch aus allen Perspektiven. Mit Sprechanweisungen stellten die PerformerInnen einen Zerfallsprozess der eigenen Installation dar. Über die stetige Entladung und die damit verbundene Determiniertheit der batteriebetriebenen Installation ergaben sich für die PerformerInnen Sprechanweisungen. Je nach Stand der Entladung artikulierten die LichtkünstlerInnen Zitate und Denkanstöße zum Detroit-Projekt sowie zur eigenen Intervention. Das Bild des Zerfalls rekurriert weiterhin nicht nur auf den Abbau eines weiteren Industriezweiges in Bochum, sondern kritisiert auch, dass bis auf einzelne Ausnahmen die Arbeiten der KünstlerInnen des Detroit-Projekts temporär sind und wieder abgebaut werden. „An dieser Stelle verweist unsere Intervention auch auf die mangelnde Nachhaltigkeit des Detroit-Projekts“, argumentiert das Kollektiv. Die Intervention verlief planmäßig von 23-24 Uhr: Kurz vor Beginn formte die Gruppe den Satz „How Light Could Be“ und schaltete die Buchstaben dann kollektiv ein, woraufhin die Wiese vor dem Bergbaumuseum mit einem zu Etchells‘ Installation komplementären Grün erleuchtet wurde. Julian, Romanistikstudent, der mit einem O Teil des Wortes „Could“ war, hoffte, dass mit dieser Aktion ein paar Menschen erreicht wurden. Einige PassantInnen blieben stehen, fotografierten und hörten zu. Eine Zuschauerin kam extra aus ihrer Wohnung, um besser zu verstehen, was die Intervention zu bedeuten hat. „Das war schon lange fällig“, kommentierte sie und meinte weiter, dass das Detroit-Projekt an vielen BochumerInnen vorbeigegangen sei. „Das, was ich davon mitbekommen habe, hat mir eigentlich gefallen. Aber es wurde meiner Meinung nach nicht gut kommuniziert, was es ist und welche Dinge wo stattfinden“ Vielleicht wäre das nicht passiert, merkt Birk-André an, wenn man die Kunst nicht nur für die BürgerInnen, sondern mit den BürgerInnen gemacht hätte. Philipp, ebenfalls RUB-Student, und mit einem H in „Light“ in die Intervention eingebunden, meinte, man solle den Menschen häufiger zeigen, dass es in Bochum mehr als das Schauspielhaus gibt.

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