Bild: An Rhein und Ruhr, da tanzen wir: In zahlreichen Städten der Region wird Gewalt gegen Frauen angeprangert., Weltweite Aktion One Billion Rising demonstriert am Valentinstag gegen Gewalt an Frauen Karte: joop

Statistisch wird weltweit jede dritte Frau, jedes dritte Mädchen Opfer von Diskriminierung und Gewalt, also schätzungsweise eine Milliarde Menschen. Um darauf aufmerksam zu machen, wird bei der Aktion One Billion Rising for Justice an Hunderten Orten tanzend demonstriert. Auch in Bochum und anderswo an Rhein und Ruhr sind Aktionen geplant.

Die Tanz-Demo geht auf den am Valentinstag stattfindenden V-Day zurück, der seit 1998 auf künstlerische Weise auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam macht. Das ‚V‘ steht neben Valentine auch für Victory und Vagina.
„Entstanden ist V-Day, als Eve Ensler sich entschied, ihr preisgekröntes Theaterstück ‚Die Vagina Monologe‘ zur Verfügung zu stellen für die Bekämpfung von Gewalt an Frauen und Mädchen“, erklärt Ivana Smith, eine der Projektkoordinatorinnen in Deutschland. Nach Tausenden Aufführungen weltweit entstand 2013 zum 15. Jubiläum ein neues Projekt: One Billion Rising (OBR).

Gerechtigkeit für Betroffene

„Die Resonanz auf One Billion Rising war riesig, und rund um die Welt wurde der Wunsch geäußert, weiterzumachen, und im kommenden Jahr einen Schritt weiterzugehen“, so Smith. Allein in Deutschland gab es 2013 etwa 200 offiziell angemeldete Events. Laut den internationalen KoordinatorInnen kämen auf jede angemeldete OBR-Demo mindestens zwei inoffizielle. Politik und Dachverbände, die sich mit Gewalt an Frauen beschäftigen, unterstützen die zweite Auflage, sodass mit ähnlicher Resonanz zu rechnen sei. Die Berichterstattung der Medien etwa zur Aufschrei-Kampagne habe zusätzliche Aufmerksamkeit gebracht, sei aber Teil des Problems. Eine Forderung richtet sich daher gegen geschlechterdiskriminierende und sexistische mediale Inszenierungen von Frauen und Männern. Eine bessere rechtliche und finanzielle Unterstützung von Gewaltopfern wird ebenfalls gefordert.

„Das gemeinsame zentrale Anliegen weltweit ist Gerechtigkeit für Frauen und Mädchen, ein Ende der Straffreiheit von Verbrechen gegen Frauen und Mädchen“, erklärt Smith. „Deshalb heißt der Aufruf 2014 One Billion Rising for Justice.“ Ein anderer Slogan lautet: „Erhebt euch! Befreit euch! Tanzt!“

Brecht die Ketten!

In Bochum zum Beispiel organisiert Ximena León ein Event. „Zuerst finde ich es faszinierend, eine solche Idee weltweit durch einen Tanz zu verbreiten, anstatt eine reguläre ‚Demo‘ zu organisieren, um unsere Solidarität zu zeigen für die Menschen, die von Gewalt und Ungerechtigkeit betroffen sind“, sagt Ximena, die voriges Jahr online auf OBR aufmerksam wurde. „Ich wollte unbedingt mitmachen, aber es war kein Event in der Nähe, und anstatt zuhause zu bleiben, habe ich mir gesagt: ‚Es gibt nichts in Bochum, also kann ich das machen!‘“ Innerhalb von fünf Tagen stand das Event. Auch diesmal hat sie ein engagiertes Vorbereitungsteam. Beim letzten Treffen in den Claudiushöfen feilten etwa 15 TänzerInnen noch an der Choreo­graphie zur offiziellen Hymne „Break the Chain“. Die Schrittfolge ist auch  für Ungeübte rasch erlernbar, sodass Freitag nichts gegen ein spontanes Mittanzen spricht. Zwischen den Performances sorgen TrommlerInnen für Samba-Rhythmen vor der Christuskirche. „Der Platz des europäischen Versprechens ist ein zentraler und symbolischer Ort in Bochum. Außerdem zeigte sich Pfarrer Thomas Wessel von der Christuskirche begeistert, so dass wir auch den Raum der Kirche zum Tanzen nutzen dürfen“, so León.

Mit dem Tanzprojekt „Charidance“ half Lina Nagel 2013 dem Essener Mädchen- und Frauenzentrum Courage beim Lernen der Schritte. „Es hat sich toll angefühlt dabei zu sein und mit dem Anleiten der Choreo einen entscheidenden Teil zu dem Tag beitragen zu können“, berichtet sie. „Die Leute haben auch toll reagiert, einige sind spontan mit uns zum nächsten Aktionspunkt gewandert, um nochmal dabei zu sein.“ Bis zu 70 Leute machten mit.

In Mülheim an der Ruhr hofft dieses Jahr Gisela Kämpgen, dass viele PassantInnen „Break the Chain“ mittanzen. „Ich stelle mir einfach vor, dass immer mehr Menschen diesen Tanz auf der ganzen Welt erlernen und ich – egal auf welchem Erdteil ich mich am 14. Februar aufhalte – über diesen Tanz grenzenlos Verbindung zu den Menschen um mich herum aufnehmen kann und wir mitein­ander tanzen und so gemeinsam aufrütteln, uns solidarisieren, uns stärken, gewaltfrei.“

Kritik an Stereotypen

Doch OBR stößt auch auf Skepsis. Gewalt an Frauen zu thematisieren findet das autonome FrauenLesbenReferat an der Ruhr-Uni Bochum äußerst wichtig. Dies hätten auch Vorfälle beim Uni-Sommerfest 2013 gezeigt, bei denen niemand eingegriffen habe. Das FrauenLesbenReferat beteiligt sich jedoch nicht an OBR, da es die Kampagne  kritisch sieht. Es fehle eine Sensibilisierung dafür, dass viele Frauen von mehreren Diskriminierungsformen betroffen seien; auch auf Homo- und Transsexualität werde nicht eingegangen. Zudem habe ein Mobilisierungsvideo von OBR 2013 bei der Darstellung sexualisierter Gewalt  auf kolonialistische Stereotypen zurückgegriffen.

www.onebillionrisingforjustice.de

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