Bild: Präsentierte seinen Dokufilm „Der Imker“ im Endstation.Kino: der syrische Regisseur Mano Khalil., Eröffnung des Doku-Festivals „Stranger than Fiction“: Mano Khalils „Der Imker“ Foto: bent

Damit wäre das Filmjahr auch im Ruhrgebiet endgültig eingeläutet: Die 16. Ausgabe des Dokufilmfestivals „Stranger than Fiction“ präsentiert wieder ein breites Panorama des Dokufilms, egal ob internationale Filme oder Produktionen aus NRW. Schon traditioneller Austragungsort ist das Endstation.Kino in Bochum-Langendreer, das auch in diesem Jahr am Festivalstartwochenende beteiligt war. So wurde schon vor dem offiziellen Bundesstart an den Kinos die Preview-Vorstellung von Mano Khalils „Der Imker“ gezeigt – inklusive anschließendem Publikumsgespräch mit Khalil.

Das Schicksal hat Ibrahim Gezer schwer getroffen. Der türkisch-kurdische Konflikt zwang ihn, seine Heimat zu verlassen. Alles hat er verloren: Seine Heimat, seine Frau, seine Familie. Nur seine Bienen konnte der Imker mit in die Schweiz, seinem Zufluchtsort, nehmen. Hier wird der Imker schnell durch die Bürokratie erfasst, die Imkerei wird als bloßes Hobby abgestempelt und Ibrahim dazu verdonnert, an einem Beschäftigungsprogramm teilzunehmen. Einer seiner Söhne ist kurdischer Guerilla-Kämpfer. Jeden Morgen blickt Ibrahim auf die Titelseite einer kurdischen Zeitung, darauf hoffend, nicht das Bild seines Sohnes unter den Opfern des Konflikts zu sehen. In seiner bedrückenden Situation sind es die Verbindung zur Natur und seinen Bienen, die Menschen vor Ort, die er kennenlernt, die Freundschaften, die er schließt, die ihn daran hindern, seinen unerschütterlichen Glauben an die Menschen zu verlieren.

Fokus auf das Einzelschicksal

Heimatverlust, Familie und die Fremde, in der sich in ein Flüchtling wiederfindet – es sind die großen wie aktuellen Themen, die „Der Imker“ aufgreift – intensiv verdichtet auf die Person Ibrahim Gezer, den Menschen hinter dem Flüchtling. Da ist auch die Brisanz des türkisch-kurdischen Konfliktes eher zweitrangig, wie Regisseur Khalil betont: „Ibrahim Gezer muss kein Kurde sein. Er ist ein Mensch. Das ist ein Schicksal von einem Menschen, der leidet.“ Obwohl die Distanz zwischen Kamera und Protagonisten nur gering ist, gelingt es Khalil, Ibrahims Leid einzufangen, ohne einem Voyeurismus zu verfallen. Dies gelingt besonders in den bedrückenden Momenten, wenn Ibrahim schlechte Nachrichten von seiner Restfamilie aus der Heimat erhält und dazu verdammt ist, aus der Ferne zu trauern. Viel Zeit lässt sich Khalil dabei, um die Geschichte Ibrahims entfalten zu können, er schwelgt in pittoresken Totalen der schweizerischen Landschaft und zeigt in elegischen Bildern die Momente, in denen es ihm gelingt, Freude am Leben zu gewinnen. Der Film entlässt nicht das Leben: Der Geschichte Ibrahims ist hier alles untergeordnet, keine verzerrende Manipulation, keine dramatische Effekthascherei. Mano Khali ist einer dieser letzten humanistischen Störenfriede, einer, der noch den Mut hat, einen emphatischen Wahrheitsbegriff mit dem Filmen zu verbinden: „Es ist schlimm, wenn man beginnt, die Geschichte zu manipulieren. Das ist nicht die Wahrheit.“

„Als wir Freunde waren, war die Kamera nicht mehr da“

Während des Publikumsgesprächs gab Khalil einen interessanten Einblick in die Entstehung des Films. Die Bekanntschaft mit Ibrahim Gezer kam zufällig zustande. Nur durch Mundpropaganda hörte er die Geschichte von einem Flüchtling, der imkert. Ibrahim Gezer wollte den Film erst nicht machen, als er von den ganzen Umständen, vor allem von der Kamera als permanentem Wegbegleiter erfuhr. Die Drehvorlage musste Khalil irgendwann ganz aufgeben, als einziger Ankerpunkt blieb Ibrahims Schicksal: „Als ich angefangen habe, zu drehen, hat das Leben seine Geschichte erzählt“, so Khalil. Zwischen beiden begann ein mühsamer Annäherungsprozess, woraus eine Freundschaft zwischen dem Regisseur und dem Protagonisten entstand, was erst ermöglichte, den Film zu drehen: „Als wir Freunde waren, war die Kamera nicht mehr da.“ Zwischen dem Leben des Regisseurs und dem des Protagonisten gibt es auch, wie Khalil dem Publikum eröffnete, einige Parallen: So musste auch der kurdische Syrer seine Heimat verlassen, als einer seiner Dokufilme das Regime verärgerte. Nach seinem Asyl in der Schweiz fand auch er sich zunächst der sozialstaatlichen Bürokratie ausgesetzt, musste Taxi fahren oder als Putzmann die Toilette im Theater schrubben – als Regisseur. Der Film sowie Khalils offenes Publikumsgespräch boten den idealen Auftakt für das Stranger-than Fiction-Festival.

Am Donnerstag, 30. Januar ist der offizielle Bundesstart von „Der Imker“. Zu sehen unter anderem im Endstation. Kino im Bahnhof Langendreer: Donnerstag und Freitag (30. und 31. Januar) um 17 Uhr.

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