Das hat man gar nicht auf dem Schirm. Filme verbindet man üblicherweise vor allem mit Bildern. Mit Einstellungen, die sich ins kulturelle Gedächtnis eingebrannt haben oder Porträts großartiger SchauspielerInnen, mit Momenten, die nicht selten dazu verleiten, ganz zu vergessen, dass der Film einen wesentlichen Hauptdarsteller hat, noch bevor er bildlich wird: der Buchstabe. Der Buchstabe trägt den simplen wie faszinierenden Moment des Kinos, den (Film-)Vorspann, der einsetzt, wenn das Licht aussetzt, als Übergang zur Bilderwelt des Kinos. Die Buchstaben erscheinen und versichern: Das ist nichts als Kino. Mit dem Film haben nicht nur die Bilder angefangen, das Laufen zu lernen, sondern auch die Lettern. Diesem Aspekt widmet sich die Ausstellung „Moving Types – Lettern in Bewegung“.
Als kulturelles Zentrum für Design- und Kunstausstellungen sowie als Millionengrab wird das Dortmunder U von einigen DortmunderInnen immer noch misstrauisch beäugt. Da passt das avantgardistische Konzept der Moving-Types-Ausstellung hervorragend rein – als Raum für innovative Kraft, für Kunst, die neue Wege geht. Der Weg zur Ausstellung führt bequem wie innovativ über die Rolltreppe, die einen Blick auf Filmprojektionen an der Wand gewährt, die aber auch defekt zu sein scheint, manchmal ruckartig stehen bleibt und wieder weiterrollt. „Gefährlich“, stöhnt eine ältere Besucherin. Wohl eine dieser gegenüber dem kulturellen Mammutprojekt „U“ skeptischen DortmunderInnen. Nimmt man aber auf letzterem Wege die einfache Treppe, wird man nach wenigen Stufen der Innovationskraft dieses Kulturstandorts gewahr. Oben angekommen, sieht man nicht viel. Der erste Blick fällt auf ein Gerüst mit kleinen weißen Würfeln, das als Medienlounge beworben wird. Für diese Würfel mit QR-Tags erhält man am Empfang (gegen Personalausweis) einen iPad.
Mehrere Preise gewonnen
Die Ausstellung „Moving Types – Lettern in Bewegung. Eine Retrospektive von den Anfängen des Films bis heute“ lief schon sehr erfolgreich in Schwäbisch Gmünd als auch im Mainzer Gutenberg-Museum und wurde mit dem red-dot-design-award ausgezeichnet. Im Dortmunder U läuft die Ausstellung, die mit KünstlernInnen und GestalternInnen wie Muriel Cooper, Ludovic Couplain und Alex Gopher (Air) wirbt, im Rahmen des New Industries Festivals.
Innovative Medien-Ausstellung
Avantgardistisch ist das Ausstellungsprojekt selbst. Eine kulturelle Zäsur sollte das U sein. Das trifft auf diese Medien-Ausstellung zu. An den QR-Codes werden im Brauereiturm nun mit iPads Clips abgezapft. Und die Innovationskraft zieht auch die SkeptikerInnen mit; sogar betagte DigitaltechnikasketInnen: „Das ist ein Touchscreen. Einfach drüberwischen.“ Mit nichts als einem Tablet bewaffnet gilt es, sich dann in dieses mediale Netz zu stürzen. Da stößt man zuerst auf die Anfänge des Films, auf Fritz Langs „Metropolis“ oder Robert Wienes „Das Kabinett des Dr. Calligari“, um dann weiter in der Filmgeschichte fortzugehen, zu Klassikern wie „Matrix“, „Star Wars“ oder „Barbarella“, und zu entdecken, wie die Lettern im Film lernten, sich zu bewegen, zu laufen, zu schweben.
Unübersichtliches Medien-Netz
Die bewegte Typographie bleibt nicht auf den Film beschränkt. Kurzanimationen, Musikvideos und Fernsehbeiträge, die nach dem Scannen via Tablet abgespielt werden können, verweisen auf die Genealogie des Signifikanten. Übersicht geben größere Würfel, die informierende Kurzdokumentationen bereithalten, etwa die Entwicklung vom Buchdruck zur digitalen Animation.
Die Clips müssen nicht ganz geschaut werden, oft macht schon der nächste Würfel neugierig – eine Art Youtubeisierung der Ausstellung, die eigentlich keine ist, denn man kann sich dort verlieren, aber das ist wohl konzeptionell abgesichert. Also drauf mit dem iPhone und scannen: Da ist Finchers „Sieben“, oder sein „Panic Room“ mit diesen 3D-Lettern im Vorspann und dann der Hinweis, dass der alte Hitchcock schon eine Methode hatte, um ähnliche Typographie-Effekte zu erzeugen. Experimentell ist der Umgang mit Lettern auch in diversen Musikvideos: Bob Dylans Musikvideos zu „Don‘t look back“ eröffnet sich als Referenzpunkt vieler anderer MuskikerInnen, oder Björks „Bachelorette“, ein Videoclip, in dem sich bewegende Lettern zu einem Buch fügen. Einige Clips verweisen auf die Typographie im urbanen Raum, etwa durch Projektionen. Diese interaktive Medien-Ausstellung über die Geschichte der Typographie ist unübersichtlich und sinnlich zugleich, bietet einen verblüffenden Einblick in die Medien, auch für skeptische BesucherInnen des Dortmunder U.
„Moving Types – Lettern in Bewegung. Eine Retrospektive von den Anfängen des Films bis heute“
noch bis 2. März 2014
Im Dortmunder U
Leonie-Reygers-Terrasse
Preise: 5 Euro/ ermäßigt 2,50 Euro
Öffnungszeiten: Di + Mi: 11–18 Uhr
Do + Fr: 11–20 Uhr
Sa+So: 11–18 Uhr
Mo geschlossen
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