„Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“, heißt es nicht selten, wenn der demokratisch verfasste Rechtsstaat durch das Grundgesetz (GG) verbriefte Freiheitsrechte auszuhebeln versucht. „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“, heißt es im GG-Artikel 5. Noch weiter ist dieses Grundrecht in Artikel 19 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen gefasst: „Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhängen und Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ Dieses Recht wurde seitens der Stadt Bochum durch den repressiven Umgang mit dem legitimen Anliegen der Friedensbewegung, Jugendliche über die ethische Fragwürdigkeit einer Ausbildung zum Töten sowie über die Risiken eines Einsatzes in Kriegs- und Krisengebieten aufzuklären, mit Füßen getreten.
So wurde das Hausrecht bei einer öffentlichen Veranstaltung am 9. und 10. Oktober im RuhrCongress unter der ‚Schirmherrschaft‘ der Bochumer Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz, administrativ ausgeübt durch Jugendamtsmitarbeiter Christian Rohde, in autoritärer Weise angewendet, um eine solche Aufklärung der jugendlichen MessebesucherInnen zu verhindern. Dies ist ein Vorgehen, das einer lebendigen Demokratie unwürdig ist. Wenn SchülerInnen die Erfahrung machen, dass beim Besuch einer Bildungsmesse emanzipatorische Elemente als Kernstück demokratischer Kultur mit polizeilicher Autorität unterdrückt und sie beim Betreten der Messe nach inkriminiertem Info-Material durchsucht werden, kann dies nur dazu führen, dass sich diese Menschen von einer derart diskreditierten Politkultur achselzuckend abwenden.
Günter Gleising, Ratssprecher der Sozialen Liste Bochum, diagnostizierte bereits im Vorfeld des Bundeswehr-Eklats auf der Bildungsmesse „ein Klima, in dem demokratischer Protest nicht erwünscht ist.“ Dass ein solches Klima der Demokratie großen Schaden zufügt, steht außer Frage. Zudem dürfte es seit dem Verbot der KPD im Jahre 1956 nicht mehr vorgekommen sein, dass Ratsmitgliedern bei einer städtischen Veranstaltung Hausverbot erteilt worden ist. „So nicht, Bochum!“ wäre angesichts eines solchen Tabubruchs wohl der angemessene Slogan für eine Demonstration vor dem Rathaus, bei der etwa der Rücktritt von Oberbürgermeisterin Scholz gefordert werden könnte, die als ‚Schirmherrin‘ letztlich auch eine entscheidende politische Mitverantwortung für den antidemokratischen Eklat trägt und sich am Mittwoch in der Kongresshalle befand, während durch das Jugendamt wie am Fließband Hausverbote erteilt wurden.
Daher ist es sicherlich mehr als passend, dass der Bochumer Familienrichter Ralf Feldmann, der als Ratsmitglied aufgrund seines T-Shirt-Aufdrucks „Kein Werben fürs Sterben“ in ihrer Anwesenheit des Hauses verwiesen wurde, bereits einen „Trauermarsch für Ottilie Scholz und andere Kriegsdienstwerber“ verfasst hat: „Wirbst du noch / lockst du noch / Kinder für die Bundeswehr / Weltweit Kriege immer mehr“, heißt es an die Adresse der Oberbürgermeisterin. Doch wie man die ‚Bochumer Verhältnisse‘ kennt, wird auch dieser Appell ungehört verhallen und die marode demokratische Kultur muss noch weiter verrotten, bis sich vielleicht beim nächsten Bundeswehr- Eklat die Erkenntnis durchsetzt, dass in dieser Stadt Recht zu Unrecht geworden ist und Widerstand zur Pflicht.
Siehe auch „Krieg im Kongress“ (oben).
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