(USch) Es klingt wie ein Schildbürgerstreich: Erst lässt die Stadt Bochum gegen den erklärten Willen von mehr als 40.000 BürgerInnen ihr denkmalgeschütztes Stadtbad in der Innenstadt abreißen und durch einen hässlichen Hochbau samt integriertem Schwimmbecken ersetzen. Dann wird ausgerechnet ein ‚schwerer Wasserschaden‘ zum Anlass genommen, das Bad endgültig zu schließen, da niemand mehr die Reparatur zahlen kann oder will. Aber zum Glück steht ja im Wintersemester die Jahrhundertflut des doppelten Abi-Jahrgangs an, sodass die angesichts der drohenden Raumnot in die Innenstadt expandierende Uni die ‚Stadtbadgalerie‘ vor dem Ertrinken rettet und ein Fenster zur Zukunft aufstößt…
Ab Oktober wird die RUB im Erdgeschoss sowie auf vier weiteren Etagen des künftig als ‚Bochumer Fenster‘ firmierenden Gebäudes für mindestens zehn Jahre rund 6.700 Quadratmeter Bürofläche anmieten. Ab dem Wintersemester 2013/14 sollen dort etwa 1.500 Studierende der Fachbereiche Jura und Psychologie Vorlesungen und Seminarveranstaltungen besuchen. Das Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie wird gleich ganz in den Innenstadt-Bau verlegt, wo laut dem die Umnutzung federführend betreibenden neuen Investor, der Frankfurter DIC Asset AG, zudem eine „öffentliche Cafeteria“ dauerhaft Platz finden soll.
BürgerInnenwille gebrochen
Wider den BürgerInnenwillen, denkmalschützerische Verantwortung und städtebauliche Vernunft schloss die Stadt Bochum 1988 das 1953 nach Kriegszerstörung neu eröffnete Stadtbad am heutigen Bongardboulevard (Massenbergstraße 9-13) und ließ dort 2002 von der Immobiliengruppe Häusser-Bau ein 60 Millionen Euro teures „Einkaufs-, Büro- und Dienstleistungszentrum mit gleichzeitiger Anbindung an ein neues Schwimmbad“ errichten. Ein BürgerInnenbegehren gegen das Vorhaben war 1997 daran gescheitert, dass statt des Geburtsdatums das Alter der mehr als 40.000 Unterzeichnenden erfasst worden war. Unweit des Bochumer Hauptbahnhofs und der Doppeltürme des „Holiday Inn“ gelegen, stellt der gegen den bürgerschaftlichen Widerstand errichtete, bizarre futuristische Hochbau seither einen der herausragendsten architektonischen Fremdkörper in der Innenstadt dar. Seit Juli 2012 war das Becken in der ‚Stadtbadgalerie‘ wegen eines Rohrbruchs dauerhaft geschlossen worden, da sich weder Stadt noch Betreiber in der Lage sahen, eine Sanierung zu finanzieren (die :bsz berichtete).
Blüht neues Leben aus der Investitionsruine?
Als „lebendiger Nutzungsmix aus Einzelhandel, Gastronomie, Büros und Hochschule“ bezeichnet der in NRW mit 62 Objekten und Gewerbeflächen vertretene Neu-Investor DIC Asset das modifizierte Nutzungskonzept des Gebäudes, wo künftig neben einem expandierenden Schreibwarenhandel und diversen Seminarräumen auch zwei RUB-Hörsäle untergebracht werden. Dass mit dem Engagement der Ruhr-Uni nun wiederum die öffentliche Hand einspringt, nachdem erst die Kommunalpolitik und dann ein privates Investitionskonzept nach zweieinhalb Jahrzehnten grandios gescheitert sind, wird vollkommen ausgeblendet. Vielmehr wird durch das Ansinnen der politisch Verantwortlichen, das Einspringen der RUB als Retterin in der Not in einen übergreifenden planerischen Kontext zu setzen, auch noch der Versuch unternommen, das eigene Scheitern zu adeln: „Die Neupositionierung ‚Bochumer Fenster‘ trägt dazu bei, die Vorschläge aus dem Masterplan Universität Stadt umzusetzen“, so Stadtbaurat Dr. Ernst Kratzsch. Doch das ist noch nicht alles – das Ganze wird gar als Ergebnis einer langfristigen Strategie verbrämt: „Die Vermietung an die Ruhr-Universität Bochum führt zu einer stärkeren Vernetzung der Universität mit der Innenstadt, auf die wir lange hingearbeitet haben“, mutmaßt der kommunale Baurat und spekuliert, dass die große Zahl von Studierenden zu einer „dauerhaften Belebung des Boulevards“ führen werde.
Kameraüberwachter Innenstadtcampus
Auch RUB-Rektor Elmar Weiler gibt sich überschwänglich optimistisch: „Wir freuen uns über diesen neuen Standort für Lehre und Forschung der Ruhr-Universität in der Bochumer Innenstadt – er fügt sich mit weiteren Bürostandorten ein in ein Gesamtkonzept der Öffnung der RUB zur Stadt hin.“ Dass mit dem bildungspolitisch verursachten Studi-Tsunami und der nicht rechtzeitig erfolgenden Schaffung ausreichender baulicher Kapazitäten im Nahbereich das ursprüngliche Konzept einer Campus-Uni mit kurzen Wegen zugleich endgültig zu scheitern droht, bleibt unerwähnt. Darüber hinaus ist es äußerst bedenklich, dass das ‚Bochumer Fenster‘ zumindest im Außenbereich kameraüberwacht ist, was dem Aufbruch in die Innenstadt einen weiteren bitteren Beigeschmack hinzufügt.
1 comments
Reply
You must be logged in to post a comment.
Danke!
Vielen Dank, Herr Autor, für diesen tollen Hintergrundbericht. Das weiß man ja nicht, wenn man nur die offiziellen Medien liest, die alles immer toll darstellen. Was wird denn nun aus dem Schwimmbad?Das hat doch eine große Fensterfront – da könnte man Guerilla-Gardening drin machen, bevor das verkommt. Oder eine Laser-Tag Halle!