Fünf internationale WirtschaftswissenschaftlerInnen haben ein „globales Manifest zur Rettung der Wirtschaft“ geschrieben. Aus unterschiedlichen Perspektiven analysieren die WissenschaftlerInnen aus Japan, den USA, Indien und Deutschland die derzeitige globale Wirtschafts- und Finanzkrise, indem sie verschiedene Aspekte und Lösungsansätze herausarbeiten. Das im April diesen Jahres erschienene Buch umfasst fünf Einzelbeiträge der ÖkonomInnen und ein gemeinsam verfasstes „Manifest“ mit wirtschaftspolitischen Handlungsaufforderungen an die Politik. Der deutsche Ökonom Dr. Heiner Flassbeck von der Universität Hamburg ist einer von ihnen.
Die neoliberale Wirtschaftsideologie gehe davon aus, dass „der Markt“ alles zur Zufriedenheit aller regele und politische Eingriffe eher die Wirtschaft störten – und liege damit fundamental falsch, so die Kernthese des Buches. Die AutorInnen meinen; diese Politik bringe nicht nur Armut und Leid, sondern sei auch viel teurer als eine angebotsorientierte Politik, die durch Ausweitung der Staatsschulden zur rechten Zeit (jetzt!) die Wirtschaft vor einer Rezession bewahre, die Jahrzehnte lang andauern könne. Stattdessen solle der Staat ohne Angst vor Verschuldung nun in die Bresche springen und durch Konjunkturprogramme einen Abbau der Wirtschaft verhindern.
Wenn alle gleichzeitig sparen, geht es für alle bergab
Eines der Schlüsselkonzepte der Analyse lautet „Bilanzrezession“. Diese Form der Rezession habe einige der westlichen Industriestaaten befallen und fordere grundsätzlich neue wirtschaftspolitische Heilmethoden. Die schlechte Nachricht: Die normalen Mittel zur Rezessionsbekämpfung führten bei einer Bilanzrezession immer nur tiefer in die Krise, so die These. Senke man Löhne und Staatsausgaben, fielen die Gewinne der Unternehmen, was zu höherer Arbeitslosigkeit und damit zu höheren Staatsschulden führe und in einem Teufelskreis ende. Gleichzeitig nütze eine Null-Zins-Politik der Notenbanken gar nichts, wenn der private Sektor sich einfach nicht weiter verschulden möchte, sondern Schulden abbauen wolle. Die gute Nachricht der AutorInnen: Eine Bilanzrezession komme nur alle drei bis vier Generationen vor. Die heutige Generation habe das gleiche Pech wie die Menschen Ende der 1920er Jahre. Unseren Nachfahren werde es aber wieder besser gehen – allerdings nur, wenn wir jetzt konsequent die Wirtschaft auf Staatskosten stützten, um einen jahrzehntelangen Absturz zu vermeiden.
Kein revolutionäres Manifest
Die Überlegungen, die die WirtschaftswissenschaftlerInnen in ihren Beiträgen und in ihrem Manifest vorstellen, erscheinen in sich plausibel. Irgendwie tut es ja auch gut, dass man mal von ExpertInnen gesagt bekommt, dass man gemessen an der eigenen Produktivität unterbezahlt ist und sich die Wirtschaftskrise dadurch beheben lässt, dass die deutschen ArbeitgeberInnen ein bisschen mehr in die Lohntüte stecken und der Staat noch ein Konjunkturprogramm auflegt. Vielleicht ist die Stärke dieses Manifests, nämlich einleuchtend und sofort umsetzbar zu erscheinen, gleichzeitig seine Schwäche: Denn obwohl der Rat der Gruppe von ÖkonomInnen eine 180°-Umkehr der aktuellen neoliberalen Sparpolitik darstellt, erscheint er immer noch sehr der Idee verhaftet, dass grundsätzlich alles gut sei in der Marktwirtschaft und nur ein paar „Stellschrauben“ im System neu justiert werden müssten. Weitergehende Fragen wie die, wozu wir überhaupt private Banken brauchen, die sich die Gewinne einstecken und ihre Verluste den kommenden Generationen in Form von Staatsverschuldung vor die Füße kippen, werden nicht konsequent gestellt, sondern lediglich mit der Forderung nach einem Trennbankensystem beantwortet. „Revolutionär“ ist „das globale Manifest zur Rettung der Wirtschaft“ also keinesfalls, und insofern ist die Anlehnung an das „Manifest der kommunistischen Partei“ im Titel etwas überdimensioniert – damit wären wir allerdings in einer anderen Debatte als der, die das Buch führen will.
Vielleicht sind die Vorschläge dieses „globalen Manifests“ aber auch das „Revolutionärste“, was derzeit überhaupt durchsetzbar ist? Die aktuelle Politik steuert mit neoliberalem Volldampf in die andere Richtung des Sparens und des Verzichts – und zerstört damit seit fünf Jahren die Wirtschaft. Da können die erklärenden und mahnenden Worte der WirtschaftswissenschaftlerInnen nur hilfreich sein – auch wenn sie das Übel vielleicht nicht „radikal“ bei der Wurzel packen.
P.S. Es ist natürlich unmöglich, das Buch im Rahmen dieses kurzen Artikels ausreichend zu würdigen – deswegen sprechen wir hier ausdrücklich eine Lesempfehlung aus.
Heiner Flassbeck et al.:
„Handelt jetzt! Ein globales Manifest zur Rettung der Wirtschaft“
Westend Verlag, April 2013
214 Seiten, 17,99 Euro
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