Der Prism-Skandal: Erneut erhebt sich auf den Spuren von Edward Snowden und nach Demonstrationen in Hongkong scharfe Kritik gegen das soziale Netzwerk Facebook. War Edward Snowdens Enthüllung ein Freiheits- oder ein Kriminalakt?
Wie weit sich der Skandal um den US-Überwachungsdienst ausdehnt, wurde letztes Wochenende veröffentlicht – überraschenderweise nicht bei Facebook selbst. Es handelte sich tatsächlich allein im letzten Halbjahr 2012 um 18.000 bis 19.000 Facebook-Konten, welche von der Spionage betroffen waren. Dies bedeutet, dass die National Security Agency (NSA) sowie acht andere US-Geheimdienste in diesem halben Jahr bis zu 10.000 Anfragen an das soziale Netzwerk gestellt haben. Ob die Verdächtigungen berechtigt waren oder die Geheimdienste erfolglos in die Privatsphäre der NutzerInnen eingriffen, dazu hat Facebook bis jetzt keine Stellung genommen. Und nicht nur das: Der Firmenanwalt Ted Ullyot behauptet sogar, dass das Unternehmen die Daten der NutzerInnen aggressiv schütze. Nicht selten habe das soziale Netzwerk Anfragen von Geheimdiensten abgelehnt.
Krimineller oder Held?
Nun, wenn Facebook nicht der Böse sein will – wer ist es dann? Edward Snowden, der Whistleblower des Prism-Progammes, des bis vor kurzem streng geheimen Verfahrens zur Überwachung und Auswertung von elektronisch gespeicherten Daten vielleicht?
Dem war, nachdem er – qualifiziert durch seine ausgezeichneten Computerkenntnisse – sowohl für private Unternehmen als auch für ein Subunternehmen des Geheimdienstes NSA gearbeitet hatte, aufgefallen, dass er sein Talent anscheinend nicht für die besten Zwecke einsetzte. In einem Interview gestand der heutige Freiheitskämpfer: „Ich erkannte, dass ich Teil von etwas geworden war, das viel mehr Schaden anrichtete als Nutzen brachte.“ Für das FBI scheint der junge (diesen Freitag wird er dreißig Jahre alt) Computerexperte auf jeden Fall ein Dorn im Auge zu sein – es hat nämlich letzte Woche Ermittlungen gegen ihn eingeleitet.
Momentan soll sich Edward Snowden in Hongkong verstecken. Doch die Welt mitsamt seinen GegnerInnen kommt ihm trotzdem auf die Schliche – und das ausgerechnet über elektronisch gespeicherte Daten. Er hat für den Datenschutz nicht nur sein Leben, sondern auch seine eigene Privatsphäre aufs Spiel gesetzt: Zahlreiche Medien proklamieren, Edward Snowden sei ein Nerd, ein richtiger Computer-Geek; es werden Kommentare und Beiträge aufgegriffen, die der Whistleblower angeblich unter dem Nutzernamen „The True HOOHA“ gepostet hat. Es wird über seine Hobbys, seine Freundin sowie über Fotos geredet und geschrieben. Bleibt zu hoffen, dass er durch seine Aufopferung etwas bewirkt und sich seine persönliche Risikobereitschaft lohnt. Die Demonstrationen in der Sonderverwaltungszone Hongkong deuten jedenfalls darauf hin: Hunderte von DemonstantInnen marschierten letzten Samstag zum US-Konsulat in Hongkong. Sie forderten, dass die Regierung Snowden verteidige und ihn nicht an die USA ausliefere.
Denn die Regierung in Peking wird schließlich das letzte Wort haben und es ist bis jetzt unklar, ob sie sich dafür entscheiden wird, von Snowdens Wissen zu profitieren – erst letzte Woche verriet er der South China Morning Post, dass die US-Geheimdienste seit 2009 dutzende von Computern in China sowie in Hongkong hacken; oder ob sie es vorziehen wird, sich ein vorteilhaftes Verhältnis mit den USA mittels der Auslieferung des Informanten zu sichern.
Misstrauen und Scheinheiligkeit
Die aktuellen Enthüllungen lassen Fassaden bröckeln und werfen lauter Fragen auf. Darf man die Freiheit von tausenden Menschen aufs Spiel zu setzen, Kriminalität aufzudecken? Ist Edward Snowden ein Befreier oder ein Verräter? Die ganze Welt streitet sich um die Frage, wer im Prism-Skandal nun den Bösen und wer den Guten spielt. Handelt es sich diesmal endlich um das letzte Kapitel im Skandalbook? Auf was warten wir eigentlich noch? Welchen finalen Skandal brauchen wir, um endlich zu beschließen, unseren Account zu löschen…
0 comments