Weltweit konnten Menschen am 21. Mai via Internet dabei sein, als Microsoft sein nächstes großes Ding für den Unterhaltungsmarkt präsentierte: Die Xbox One ist mehr als Konsole, sie soll eine ganz neue Form der Wohnzimmerunterhaltung etablieren. Mit der Verschmelzung von Videospiel und Fernsehprogramm geht der Computerriese aus dem amerikanischen Redmond einen etwas anderen Weg als die japanische Konkurrenz von Sony. Die drei Monate vorher vorgestellte PlayStation 4 setzt vermehrt auf die Soziale-Netzwerk-Komponente. Gemein ist beiden Konsolen der nächsten Generation ihre Markteinführung zum diesjährigen Weihnachtsgeschäft und Bedenken vonseiten der DatenschützerInnen.
In den frühen 90er Jahren dominierten die japanischen Firmen Nintendo und Sega den weltweiten Spielekonsolenmarkt. 1994/95 betrat Videospielneuling Sony mit der PlayStation den Ring und verpasste Sega den endgültigen K.O.-Schlag. 2001/2002 bekamen die japanischen Giganten mit Microsofts Xbox Konkurrenz aus den USA. Insgesamt also eine überschaubare Wettbewerbsgeschichte. Auch technisch gab es bei den Konsolen bis zur sechsten Generation keine Überraschungen. Es ging immer nur um die bessere Grafik. Bis dann Nintendo 2006 die Wii mit ihrer damals einzigartigen Bewegungssteuerung präsentierte welche dann zur erfolgreichsten Konsole der siebten Generation wurde. Microsoft und Sony haben auf optische Feuerwerke gesetzt und rüsteten erst Jahre später mit eigenen, unterschiedlichen Bewegungssteuerungssystemen nach. Jetzt, in der ersten Jahreshälfte 2013, wurde die nächste Runde des Kampfes um die Vormacht in den Wohnzimmern der Welt eingeläutet. Die neuen Konsolen wurden aber vor allem wegen ihrer neuen Features von den Herstellern gefeiert; die Grafik scheint keine Rolle mehr zu spielen.
Eine Konsole für SerienguckerInnen
Trotzdem, oder gerade deswegen, ist die Euphorie bei SpielerInnen und Presse in Anbetracht der neuen Spielgeräte eher verhalten. Ist die Zielgruppe kritischer geworden oder begeben sich die Redmonder und die Tokioter auf einen Holzweg?
Beschränkten sich früher die Reaktionen auf eine neue Konsole auf ein Spektrum, das irgendwo zwischen „Wow! Noch nie dagewesene grafische Effekte!“ und „Na, da hätten sie aber mal mehr Speicher verbauen können“ pendelte, so sorgen Funktionen wie Gesichtserkennung und automatische Online-Speicherung von Nutzungsdaten nicht nur für Euphorie. Sogar der Datenschutzbeauftragte des Bundestags, Peter Schaar (Die Grünen), nannte die Xbox One dem Spiegel gegenüber ein „Überwachungsgerät“. Eine Weiterentwicklung des Kinect-Systems, das auf der Xbox 360 die Steuerung mittels Gesten erlaubt, ist im Nachfolger fest installiert und kann nicht ausgeschaltet werden. Laut Microsoft dient dies dem Komfort (z. B. Einschalten der Konsole mittels Sprachbefehl) und der Anpassung von Inhalten an die NutzerInnen. Die Kamera kann nämlich, auch wenn über die Konsole etwa ferngesehen wird, erkennen, wie viele Menschen zusehen, wie sie auf die Inhalte reagieren, wann sie den Raum verlassen und so weiter. Es ist offensichtlich, dass damit permanente, unfreiwillige Marktforschung direkt im Wohnzimmer betrieben wird. Die Fernsehsender und Online-Videodienste sind dankbar, die ZuschauerInnen unter ständiger Beobachtung.
Dass Microsoft aber an einer tatsächlichen Beobachtung seiner KundInnen mittels Video- oder Gesprächsaufzeichnung gelegen sein sollte, tut Schaar allerdings als „verdrehte Horrorvision“ und als unwahrscheinlich ab. Mehrfach liest man in Foren und auf Twitter die nüchterne Prognose: Erst regen sich alle auf, und am Ende nutzen es ja doch alle. Das war bei Steam so, das ist bei Facebook so und das wird auch bei den Next-Gen-Konsolen so sein. Datenschutz ist anscheinend weniger wichtig als Bequemlichkeit und Unterhaltung.
Und was erwartet die SpielerInnen?
Dass sich die Diskussionen in der SpielerInnengemeinde so auf die neuen Zusatzfunktionen fixieren verwundert nicht. Ein satirischer Zusammenschnitt der Präsentation vom 21. Mai zeigt, dass das Wort „TV“ gefühlte hundert Mal während der Veranstaltung gefallen ist, dazu kamen zwanzig Mal „sports“ und fünfzig Mal „Call of Duty“. Sony baut soziale Netzwerkfunktionen in seine Playstation 4 ein, Microsoft bringt eine Spiele-und-Serien-Plattform heraus. Spielerisch tut sich, wie seit Jahren schon auf dem Blockbuster-Markt nicht viel: Das siebzigste „FIFA“, das drölfte „Call of Duty“ und viele weitere Fortsetzungen und Neuauflagen.
Dabei hatte Microsoft mit seiner Xbox Live eine beliebte Plattform für Indiespiele geschaffen, mit der unabhängige EntwicklerInnen ihre frischen bis experimentellen Spiele leicht vermarkten konnten. Ausschließlich auf Indie-Entwicklungen spezialisiert und aus der Indieszene geboren ist die Konsole Ouya, die mit Hilfe der Crowdfundingseite Kickstarter.com realisiert werden konnte. Ouya erscheint Ende Juli und kostet nur 99 US-Dollar. Sie stellt eine interessante Alternative dar, wird den Markt aber nicht aufmischen können. Die :bsz wird über dieses interessante Projekt noch berichten.
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