Erst Dortmund, jetzt der Kreis Recklinghausen: Nachdem die Westfälische Rundschau ihren Dortmunder Lokalteil abgewickelt hat, stampft nun auch die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) Lokalteile im Ruhrgebiet ein. Ersetzt werden diese durch Inhalte der Konkurrenz, in diesem Fall des Marler Medienhauses Bauer. Die RedakteurInnen und freien MitarbeiterInnen sind entsetzt, während die LeserInnen gar nicht erst informiert werden.
Ab dem 1. Mai werden im gewohnten WAZ-Mantel die gleichen Texte und Bilder wie bei den Lokalzeitungen des Medienhauses Bauer abgedruckt. Bereits 2007 war die lokale Berichterstattung von Seiten der WAZ stark reduziert worden. Eine zentrale Redaktion in Recklinghausen mit 30 Computer-Arbeitsplätzen sollte den Wegfall der einzelnen Lokalredaktionen kompensieren, war aber am Ende mit nur neun RedakteurInnen besetzt. Jetzt wird diese Rumpfredaktion komplett aufgelöst, die MitarbeiterInnen sollen intern neue Aufgaben erhalten. Die Prognosen für den Zeitungsmarkt lassen allerdings nichts Gutes für ihre Zukunft vermuten. Der Kreis Recklinghausen, der auch „Vest“ genannt wird, ist mit etwa 624.000 EinwohnerInnen der bevölkerungsreichste Landkreis in Deutschland. Verleger Kurt Bauer hat im Vest nun ein Medienmonopol inne. Neben den Lokalblättern in Recklinghausen, Marl, Herten, Haltern am See, Datteln, Waltrop, Oer-Erkenschwick und Olfen unterhält sein Medienhaus auch das „Radio Vest“.
Verschwörungstheorien bestärkt
SzenekennerInnen und GewerkschafterInnen vermuten gar größere Machenschaften am Werk hinter dem Rückzug der WAZ: Ende 2006 wurde bereits die Produktion der „Buerschen Zeitung“ in Gelsenkirchen eingestellt. Das Medienhaus Bauer begründete den Schritt damals mit rückläufigen Werbeeinnahmen und schleichend sinkender Auflage. Damals wurde die Vermutung laut, dass die WAZ und das Haus hinter Verleger Kurt Bauer den Zeitungsmarkt im Ruhrgebiet in geheimen Absprachen unter sich aufgeteilt haben. Auch in Bottrop und Gladbeck hatte sich die WAZ zuvor eine Monopolstellung „erarbeitet“. Durch die jüngste Bauer-Offensive im Kreis Recklinghausen erhalten diese Gerüchte nun neue Nahrung.
„Ich finde es moralisch total verwerflich, dass den Lesern nichts verraten wurde“, ist einE ehemaligeR freieR MitarbeiterIn der WAZ enttäuscht. „Wir Freien haben natürlich von Kollegen vor den Schließungsgerüchten davon erfahren. Es gab daraufhin ein Treffen mit einem Vertreter der WAZ. Dort wurde uns gesagt, dass noch nichts in trockenen Tüchern ist.“
Medienkultur geht verloren
Jetzt sind allerdings Fakten geschaffen worden. Insgesamt sind im Vest 15 freie MitarbeiterInnen betroffen, die technisch gesehen aus dem Bauer-eigenen „Radio Vest“ von der Schließung ihrer Redaktion erfahren haben. „Ich bin aus allen Wolken gefallen“, so der/die ehemalige MitarbeiterIn, der/die von den Einkünften aus der Arbeit bei der WAZ seinen/ihren Hauptlebensunterhalt bestritt. „Hier geht ein weiteres Stück Medienkultur verloren.“ Auch die kritische Distanz gegenüber der lokalen Politik werde eingeschränkt: „Wenn da ein Lokalredakteur 15 Jahre in der gleichen Redaktion sitzt, verliert er den kritischen Blick“, ist der/die Ehemalige überzeugt. „Teilweise lasen sich lokalpolitische Berichte in den Bauer-Blättern und der WAZ so, als seien die Redakteure auf verschiedenen Veranstaltungen gewesen.“
Kein Wunder, dass die Verleger den LeserInnen diesen Deal, der Medienvielfalt und kritische Berichterstattung untergräbt, nicht zum Frühstück als Lektürebeilage servieren wollen.
2 comments
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„Gleichschaltung“, ihr spinnt
„Gleichschaltung“, ihr spinnt doch. Warum nicht gleich „Medienholocaust“?
„Gleichschaltung ist ein
„Gleichschaltung ist ein Begriff, welcher der nationalsozialistischen Terminologie entstammt. Das Wort entstand 1933, als der Prozess der Vereinheitlichung des gesamten gesellschaftlichen und politischen Lebens – also des öffentlichen und privaten Lebens – in der Machteroberungsphase in Deutschland eingeleitet wurde. Ziel war es, bis 1934 den als Zerrissenheit verstandenen Pluralismus in Staat und Gesellschaft aufzuheben.“