Bild: Der hilfreichste Ratschlag., Kann man Dichten lernen? Wikimedia / Diether (CC BY-SA 3.0 DE) , Bearbeitung: Jacq

(Jacq) Ende Februar fand im Schauspielhaus Bochum ein Poesie-Workshop mit Poetry-Slammer Sebastian 23 statt. Neun neugierige TeilnehmerInnen, von vierzehn bis zu über sechzig Jahren, versammelten sich an drei Tagen in einem der Proberäume um ihren Mentor Sebastian Rabsahl, seines Zeichens Dichter und Denker der Gegenwart. Die :bsz war für Euch live dabei.

Ganz sanft fängt der erste Workshoptag an. Die Atmosphäre erinnert ein wenig an Schule, die TeilnehmerInnen sitzen im Stuhlkreis um ihren Lehrer herum und schauen anfänglich noch schüchtern auf den Boden. Doch Sebastian weiß sich zu helfen: Die SchülerInnen werden aufgefordert sich vorzustellen. Denn was beim Poetry-Slam ganz entscheidend ist, ist dass man seine Hemmungen zu überwinden lernt, um selbstbewusst vor einem großen Publikum sprechen zu können. In der Vorstellungsrunde fällt auf, dass die TeilnehmerInnen unterschiedlicher nicht sein könnten. Eine Nachwuchsrapperin, ein Pantomime und ein frischgebackener Drehbuchautor befinden sich unter ihnen, aber eins haben doch alle gemeinsam: Sie wollen sich an etwas Neuem versuchen, sie wollen für ein Wochenende SlammerInnen sein.
Wer sich selbst jetzt noch steif wie ein Stock an seinen Stuhl klammert, wird spätestens durch die erste Übung aufgelockert. Sebastian 23 befiehlt den Poesieinteressierten aufzustehen, durch den Raum zu laufen und fordert sie auf, dabei mit sich selbst zu reden. Ziel der Übung ist es, aus sich herauszukommen: Man soll seinen Gedanken und Gefühlen freien Lauf lassen! Als Poetry-SlammerIn muss man erst wissen, wie man seine tiefsten Regungen über sich, über die Welt und über die Gesellschaft in Worte fasst, bevor man sie zu Papier bringen kann. (Trotzdem komme ich mir bei der Übung wahnsinnig bescheuert vor). Danach macht sich die Gruppe endlich ans Schreiben. Eine Poetry-Slam-Performance dauert in der Regel fünf Minuten – das heißt, man kann leider keinen Zweizeiler aufs Papier klatschen und damit hat sich‘s dann. Aber bis sich die TeilnehmerInnen daran versuchen dürfen, einen echten Slamtext zu dichten, wird es noch einen weiteren Tag dauern. Erst einmal werden Indianerweisheiten ausgegraben und Elfchen gezaubert. Den Höhepunkt des Tages stellt schließlich die letzte Übung dar: das Verfassen eines „Lobgesanges“ auf unser Frühstück. Klar, dass in den Hymnen nicht nur einmal der Name Nutella fiel.

Es zählt, was bewegt

Am nächsten Tag geht es dann ein wenig anspruchsvoller weiter. Die Nachwuchspoeten und Nachwuchspoetinnen werden zum einen dazu aufgefordert einen Text, sei es ein Gedicht von Goethe, einen Songtext ihrer Lieblingsband oder die Verfassung der Vereinigten Staaten, mitzubringen. Zum anderen wurde ihnen nahegelegt, sich mit einem aktuellen gesellschaftlichen Thema zu beschäftigen, sei es der Pferdefleischskandal oder der Rücktritt des Papstes. Jeder Slammer und jede Slammerin hat nämlich seinen oder ihren ganz eigenen Stil und um den zu finden, darf man sich auch mal von seinen großen Vorbildern inspirieren und leiten lassen. Es reicht jedoch nicht nur aus, die passenden Worte zu finden. EinE SlammerIn muss die ZuschauerInnen auch durch Stimme, Mimik, Gestik und durch sein oder ihr ganzes Auftreten in seinen oder ihren Bann ziehen. Der Körper muss bewegt sein durch die Worte und die Worte müssen brennen durch ihre Bedeutung. Daraus lässt sich schließen, dass dem/der DichterIn das Thema, über das er/sie schreibt, am Herzen liegen sollte. Ob man nun über Pferdefleisch in der Lasagne in Rage gerät oder über die letzte Familienfeier witzelt, ist natürlich jedem/jeder selbst überlassen.

Metamorphose zum Dichter?

Am letzten Workshoptag war es dann endlich so weit. Die neugeborenen SlammerInnen durften zum ersten Mal mit ihren Gedanken und Gefühlen, mit ihren Ideen und Texten auf die Bühne. Einigen Frischlingen wollte man gar nicht abkaufen, dass sie ihren allerersten Slam bestritten. Nun stellt sich die Frage: Kann man „Poetry Slam“ erlernen? Fakt ist, dass ein Poetry-Slam-Workshop kreative Interessenten mit den nötigen Waffen ausrüsten kann, die gebraucht werden, um in die rhetorische Schlacht zu ziehen. Jedoch ist es eher unwahrscheinlich, dass sich einE BettlerIn der Worte je in eineN Poetry-RitterIn verwandeln wird. Das vermögen selbst fünfzig Workshops nicht zu ändern. Denn wie auch jede andere Kunst setzt der Poetry Slam nicht nur Engagement, sondern auch Begabung voraus.

0 comments

You must be logged in to post a comment.