Am 26. Januar öffnete sich das Herz des Ruhrgebiets für das Herz Eurasiens: Die Ausstellung „Unbekanntes Kasachstan“ ist bis zum 30. Juni 2013 im Deutschen Bergbaumuseum Bochum zu sehen. Dem Forschungsschwerpunkt des Museums folgend liegt der Fokus der Ausstellung auf archäologischen Funden aus dem heutigen Kasachstan. Dieses heutige Kasachstan wird dem Besucher ebenfalls anschaulich näher gebracht.
„Schwarzer Diamant“ heißt der 2009 eröffnete Anbau des Bergbaumuseums, der die Wechselausstellungen der Einrichtung beherbergt. Seit vergangenen Samstag werden BesucherInnen am Ende des glutgelben Korridors, der vom Hauptgebäude des Museum in den Schwarzen Diamanten führt, in die zentralasiatische Steppe entführt. Eine Videoleinwand rechterhand des Eingangs vermittelt dank ihrer die Wand in ihrer ganzen Breite ausfüllenden Dimension einen gelungenen Eindruck von der Weite der kasachischen Steppen. Und eine typische Jurte der diese Steppe bewohnenden Nomaden lädt anschaulich ein, sich auf eine fremde Kultur einzulassen.
Breitbildlandschaften
Es sind gerade diese zwei Elemente der Ausstellung, die die nachhaltigsten Spuren im Kopf hinterlassen haben. Ein 6000 Jahre alter Faustkeil ist eben, auch wenn er archäologisch bedeutsam sein mag, doch eben nur ein Faustkeil, wie er vor vielen tausend Jahren auch in Westeuropa benutzt worden ist. Damit ist er schon zigfach gesehen worden und war schon beim ersten Mal nicht besonders spektakulär. Das Einführungsvideo an jener großen Leinwand hingegen, das man sich auf einem breiten, gemütlichen Sofa zu Gemüte führen kann, ist eine gute, spannende und informative Produktion. Mit einem gerade noch gesunden Maß an Pathos werden Bilder atemberaubender Landschaften gezeigt und auf die dramatische Situation des durch menschliche Hybris schrumpfenden Aralsees hingewiesen. Fast wie aus einem kommunalen Imagefilm muten dagegen die Aufnahmen aus der nahezu aus der Retorte entstandenen Stadt Astana an. Futuristische Wolkenkratzer und moderne Moscheen von ausgefallener Architektur stehen hier neben einem prächtigen Präsidentenpalast, der sich in einem interessanten Stilmix präsentiert. Umso interessanter wirken die Bilder der Stadt, die seit 1997 die Hauptstadt Kasachstans ist, im Kontrast zu den Aufnahmen der noch in nomadischer Tradition lebenden Bevölkerung des Landes.
Dieses Nomadenleben der Kasachen wird mit dem bereits erwähnten, auffälligen Exponat der Jurte in vielerlei Hinsicht veranschaulicht. Dieses große Zelt darf betreten werden und ist eingerichtet mit Betten, Truhen für die Habseligkeiten seiner Bewohner und Sattel und Zaumzeug, da Reittiere eine große Rolle in der traditionellen Lebensweise dieses Turkvolks spielen. Die Jurte ist das vielleicht wichtigste Gut einer Nomadenfamilie und wird über Generationen vom Vater an den Sohn vererbt. Nicht nur aus ausstellungstechnsicher Sicht ist es geschickt, dass das Zelt so viel Raum einnimmt, denn die Jurte ist auch Symbol der kulturellen Identität der KasachInnen. So findet sich etwa die Krone der Jurte sogar im Staatswappen.
Informationen im Boulevardzeitungsgewand
Es ist eindrucksvoll, dass die gesamte Jurte auf zwei Trampeltiere verladen werden kann. Darauf weist ein Infotext den Besucher hin und hebt dies mittels Ausrufezeichen hervor. Dies und noch manch andere Tatsache sind auf den Infotafeln mit Ausrufezeichen versehen. Es ist nicht leicht, beim Verfassen von Museums-Infotexten den Spagat zwischen Attraktivität und Informativität zu schaffen, zwischen nicht zu viel und nicht zu wenig Information. Dass bei der Erklärung von Spielwürfeln reißerisch gefragt wird „Waren die alten Kasachen spielsüchtig?“, zeigt, dass dieser Spagat hier nicht gelungen ist.
Nachvollziehbar räumlich getrennt sind die Themengebiete Archäologie der nomadischen Kultur und Geschichte des Stadtlebens. Entlang der Seidenstraße, die durch das heutige kasachische Staatsgebiet führte, entwickelte sich eine blühende, multireligiöse Stadtkultur, deren wechselvolle Geschichte anhand der Exponate und vieler Karten nachvollzogen werden kann.
Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt klar in der Archäologie. Aber auch das heutige Kasachstan lernt der/die BesucherIn kennen, denn obwohl es an der Schnittstelle zwischen europäischer und asiatischer Kultur liegt, ist dieses Land mit der schönen Flagge doch immer noch für viele einfach: Unbekanntes Kasachstan.
Unbekanntes Kasachstan.
Archäologie im Herzen Asiens
1. Januar – 30. Juni 2013
Deutsches Bergbaumuseum Bochum
Eintritt 6,50 Euro/ Studierende und andere Ermäßigungsberechtigte 3 Euro
0 comments