Bild: Zukunftsvisionen des 20. und 21. Jahrhunderts: Auf diesem Bild vereint., Futurologie, Klima-Alarmismus und Konzerninteressen Illustration: mar

Futurologie (vom lateinischen „futurum“, Zukunft) oder Zukunftsforschung ist die wissenschaftliche Untersuchung von möglichen und wahrscheinlichen zukünftigen Entwicklungen. Der aktuell erreichte und der zukünftig plausibel zu erwartende technologische Fortschritt sowie von ihm zumeist beeinflusste wirtschaftliche, ökologische und soziale Entwicklungen bilden dabei die Grundlage, um Vorhersagen über die zukünftigen Lebensweisen und Gesellschaften der Menschheit zu erstellen. Natürlich kann die Zukunft selbst von den fähigsten ExpertInnen mit den besten Methoden nicht annähernd sicher und exakt vorhergesagt werden, erst recht nicht über mehrere Jahrzehnte hinweg. Wer konnte schon in den 1970er Jahren unsere heutigen technischen Kommunikationsmittel prognostizieren, vom Internet bis zum Smartphone? Umgekehrt haben sich viele Vorhersagen bezüglich des technologischen Fortschritts bis zum heutigen Jahr nicht erfüllt: beispielsweise haben wir leider noch längst nicht alle Krankheiten besiegt und wir haben auch noch immer keine Basis auf dem Mars.

Die Zahl der veröffentlichten futurologischen Bücher scheint in den letzten fünf Jahren deutlich zugenommen zu haben. Die Bandbreite reicht dabei von tatsächlich wissenschaftlichen Büchern mit stark technologischem Schwerpunkt über solche, die eher Science-Fiction-Technologie als Futurologie beinhalten. Von Büchern, die rundum einen unkritischen und naiven Zukunftsoptimismus vertreten (häufig verbunden mit neoliberalem Gedankengut), bis hin zu Büchern, deren Tenor von Öko-Alarmismus und Klimahysterie bestimmt wird. „Zukunft 2050“ von Ulrich Eberl ist ein Werk, an dem sich die Geister scheiden müssen, vor allem abhängig von ihrer Position zum Klimawandel und zur Energiewende. Wer wie Eberl die Reduktion des CO2-Ausstoßes und die Realisierung einer komplett nachhaltigen Energieversorgung als wichtigste Herausforderung der nächsten Jahrzehnte ansieht, dem wird „Zukunft 2050“ überwiegend zusagen. Wer dagegen den medial vorherrschenden Klima-Alarmismus grundsätzlich ablehnt, weil er das Ausmaß des Klimawandels und/oder den Anteil des Menschen am Klimawandel als erheblich geringer einschätzt oder wer auf Atomenergie setzt, der wird mit Eberls Buch weit weniger anfangen können.

Klima und Gentechnik

Eberl beschäftigt sich in etwa einem Drittel seines Buches mit eben diesen Schwerpunkten, mit der Reduktion der CO2-Emissionen und der Energiewende. Bezüglich des Klimawandels tendiert Eberl mit der Beschreibung von Extremszenarien stark zur Hysterie und so durchzieht das Thema auch das gesamte Buch, gelegentlich penetrant mit Überschriften wie „Lasst die Treibhausgase nicht entkommen!“. Angesichts dessen ist es jedoch höchst interessant, dass Eberl den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in der Landwirtschaft klar befürwortet und sämtliche Kritik wegen möglichen Gesundheitsrisiken kurz mit der Erwähnung einer „Vielzahl von Studien“ als unbegründet zurückweist. Weitere Kritikpunkte, wie die Kontrolle des Saatgutmarktes durch wenige Großkonzerne wie Monsanto, erwähnt Eberl nichteinmal. Die Ablehnung der „grünen Gentechnik“ in Europa sei „darauf zurückzuführen, dass die Bürger reicher Nationen kaum Vorteile für sich erkennen, während der Nutzen in den Entwicklungsländern viel offensichtlicher ist“. Eben jener „Nutzen“ ist inzwischen durch das Versagen der „grünen Gentechnik“ in Bezug auf ihre Verheißungen aber erheblich infrage gestellt.

Konzerninteressen?

Ulrich Eberl ist seit 2001 Chefredakteur und Herausgeber des Siemens-Forschungsmagazins „Pictures of the Future“. Zu den Hauptgeschäftsfeldern der Siemens AG gehören Windenergie sowie Sonnenenergie und Wasserkraft (als Divisionen des Siemens Energy Sector). 2009 wurde Eberl als bester Forschungspressesprecher für Unternehmen ausgezeichnet. Eberls extreme Ausrichtung auf Erneuerbare Energien erscheint angesichts dessen – und im Gesamtkontext seiner Positionen in „Zukunft 2050“ gesehen – vor allem als bestimmten Konzerninteressen dienend. Außerdem scheint es, dass in „Zukunft 2050“ verschleiert Siemens-Produkte beworben werden. So wird beispielsweise der „Skyhydrant“, ein mobiles Wasseraufbereitungsgerät, samt seinem Nutzen für Menschen in Gebieten mit mangelhafter Wasserversorgung beschrieben. Auffällig ist hierbei, dass der Entwickler des „Skyhydranten“ wohl bewusst nur als Gründer des gemeinnützigen Vereins „Skyjuice“ bezeichnet wird, nicht jedoch als Mitarbeiter von Siemens Water Technologies.

Fazit

Nun finden sich in „Zukunft 2050“ ungeachtet dessen viele interessante Informationen – sowohl zu Methoden der Erzeugung und Speicherung von Energie, als auch zu anderen technologischen Themen. Jedoch finden sich die meisten dieser Informationen auch in diversen anderen futurologischen Büchern. Dadurch dass Eberl in einem Buch mit insgesamt nur 240 Seiten die erwähnten Schwerpunkte setzt, kann er viele andere Themen zudem nur noch kurz und oberflächlich behandeln. Ein Buch mit dem Titel „Zukunft 2050“ sollte ausgewogener eingeteilt sein. Alles in allem lohnt sich der Preis von 17,95 Euro für dieses Buch nicht. Die futurologisch interessierte Leserschaft ist mit anderen Büchern, wie beispielsweise dem hervorragenden „Die Zukunft der Technologien“ von Karlheinz Steinmüller, weit besser bedient.

Patrick Henkelmann

 

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