Vom 13. bis 15. November fand in Bochum die Jahrestagung des Bündnisses der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (bufas) statt, ausgerichtet von Madonna e.V., der hiesigen Beratungsstelle für Prostituierte. Unterstützt wurde die Konferenz von der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt sowie vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA). Der Tagungstitel „SexarbeiterInnen – willkommen in Europa?!“ war Programm und offene Frage zugleich.
Die Fachtagung gliederte sich in drei Abschnitte. Zum ersten: die Perspektiven des Prostitutionsgesetzes (ProstG), zweitens: die rechtliche Regelung in den Nachbarländern und drittens: die Herausforderungen der Straßenprostitution. Die :bsz widmet sich dieser Abschnitte in einer dreiteiligen Artikelserie, beginnend mit der aktuellen Ausgabe.
Das ProstG
„Wie kann ein Gesetz scheitern, das gar nicht richtig umgesetzt wurde?“, sagt Sexarbeiterin Lilien auf die Frage, ob das „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ deren Lage verbessert habe. 2002 trat es in Kraft, anlässlich des zehnjährigen Bestehens wird derzeit vielerorts über seine Folgen oder über das Ausbleiben seiner Umsetzung diskutiert.
Dass die schwarz-gelbe Politik, in persona die Ministerin für „Emanzipation“ Kristina Schröder, über eine Verschärfung oder sogar Abschaffung diskutiert, ist nicht nur fatal, sondern einfach nur falsch. Das Problem ist nicht nur die halbherzige juristische Umsetzung, das Problem besteht auch in der Tatsache, dass Sexarbeit noch immer nicht gesellschaftlich angesehen ist. Es gibt seit jeher immer wieder Bestrebungen, Prostitution einzudämmen oder zu vernichten. Das ist nie geglückt und wird nie glücken! Im Gegenteil; verbotene Prostitution findet dann weiterhin statt. Diesen simplen Sachverhalt muss die Regierung endlich einsehen und sich darauf verstärken, Gesetze im Sinne der Frauen und ihrer Selbstbestimmungen zu schaffen und nicht SexarbeiterInnen zu kriminalisieren.
Wo bleibt der Nutzen?
Eine juristische Einschätzung der Gesetzeslage in Deutschland lieferte Margarete Gräfin von Galen, Fachanwältin für Strafrecht: „Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander“, so die Juristin. Zwar sei es als positiv zu bewerten, dass durch die Einführung des „ungeheuer kleinen Gesetzes“ die Prostitution nicht mehr als sittenwidrig gilt – doch was folgt daraus? „Nicht viel“, lautet von Galens ernüchternde Antwort. Sie lobte die kleinen Erfolge, wie etwa dass Frauen, deren Kunden nach Erhalt der Dienstleistung nicht zahlen, nun ihren Verdienst einklagen können.
Lilien kritisierte, dass das Gesetz beim Gesundheitsministerium falsch angesiedelt sei. Schließlich handele es sich bei Prostitution um ein Gewerbe, darum müsse das Arbeitsministerium zuständig sein. Dies war nur eine ihrer gut durchdachten Forderungen, die sie im Namen der autonomen Hurenorganisation „Hydra“ aus Berlin verlas. Es könne nicht sein, dass Huren keine Anerkennung ihres Gewerbes erfahren, aber seit zehn Jahren Gewerbesteuer zahlen müssen. „Kaum ein Betrieb wird so stark reglementiert wie unserer“, fügte sie hinzu.
Realität geht am Gesetz vorbei
2007 erfolgte eine Evaluation des Gesetzes, deren Auswertung ergab, dass von 305 befragten Huren ganze vier einen Arbeitsvertrag hatten. Warum Frauen lieber in der Anonymität arbeiten, wird unter anderem deutlich, wenn Lilien erzählt, dass es nicht möglich sei, ein Konto bei einer Bank zu eröffnen oder zu regulären Konditionen einer Krankenkasse beizutreten. „Wir sind vom Stigma der Unmoral nicht befreit“, so die Sexarbeiterin. Und solange es dieses gibt, werden weiterhin viele Frauen und Männer „kellnern“, um ohne Rechtfertigungszwang arbeiten und leben zu können. Dazu kommt die Tatsche, dass es keine bundeseinheitlichen Gesetze für Sexarbeit gibt. In Dortmund etwa ist das Anmelden eines Gewerbescheins Pflicht, in Bochum hingegen nicht. Huren sind nicht selten beruflich mobil, welche Regelungen genau in welchen Städten gelten, darüber müssten sie sich jedes Mal aufs Neue informieren – doch wo? Oft sind es auch die Behörden, die nicht wissen wie Prostitution in ihrer Kommune geregelt wird.
Mehr Rechte!
Selbstkritisch gab Lilien an, es fehle eine einflussreiche „Huren-Organisation“, eine starke Bewegung. „Daran müssen wir arbeiten.“ Doch ist es wirklich Aufgabe der DienstleisterInnen sich neben der Arbeit noch ehrenamtlich zu organisieren? Ist es nicht Aufgabe der Nutznießenden, sich für die Huren stark zu machen, also auch der Kunden und Kundinnen? Die Sexarbeiterin Ariane brachte es auf den Punkt: „Wir erfüllen eine Sündenbockfunktion. Alle profitieren von uns – Kunden und Bordellbetreiber. Aber wir haben am Ende keine Rechte.“
Mareen Heying
Teil 2 nächste Woche in :bsz 937
0 comments