Bild: Protest weggebaggert: Eine Schaufel spaltet die Stadt., Bochum bald endgültig eingekesselt Foto: Usch

Ein Idyll wird asphaltiert: Seit dem feierlichen ersten Baggerbiss laufen nunmehr die Bauarbeiten, um den Bochumer Süden von Laer über Steinkuhl bis Wiemelhausen mit 3,3 Kilometern neuer Autobahn einzudecken. 2015 soll das bis zur Markstraße reichende erste Teilstück entlang des Opelwerks I eröffnet werden, 2017 dann der achtspurige(!) Ausbau des heutigen Nordhausenrings bis zur Uni-Straße. Während sich die verantwortlichen PolitikerInnen wie üblich selber feiern, haben die AnwohnerInner überwiegend resigniert.

Für einige Ewiggestrige ist die Betonzeit in der Verkehrspolitik offenbar immer noch nicht vorbei. So bemüht der Hauptgeschäftsführer des Gelsenkirchener Landesbetriebs Straßenbau NRW (kurz: Straßen.NRW), Winfried Pudenz, bei seiner Eröffnungsrede zum offiziellen ersten Spatenstich der Bochumer Querspange, die künftig die A44 mit dem Bochumer Außenring verbinden soll, am 30. Oktober nachgerade exorbitante historische Vergleiche: Wurde doch beispielsweise am 30.10.1973, einen Tag nach dem 50. Jahrestag der türkischen Republik, die Istanbuler Bosperus-Brücke als vielzitierte Verbindung zwischen Europa und Asien eröffnet. Auch eine – wenn auch historisch fragwürdige – Parallele zum Ärmelkanaltunnel, den die „American Society of Civil Engineers“ zu einem der modernen sieben Weltwunder erkoren hat, zieht Pudenz; offen sei jedoch die Frage, ob man dies jemals über die Querspange werde sagen können…

BI: „Ein schwarzer Tag für Bochum“

Die „Bürgerinitiative Bochum gegen die DüBoDo“, die ursprünglich geplante „Düsseldorf-Bochum-Dortmunder“ Autobahn, ist gewiss weit davon entfernt, den mit 53 Millionen Euro Baukosten veranschlagten Außenring-Anschluss der A44 in die Nähe eines Weltwunders zu rücken. So werde die neue Trasse „entgegen der Planungsaussage kein einziges Verkehrsproblem der Stadt Bochum oder des Regionalraums Ruhrgebiet“ lösen: „Die sich zwangsläufig ergebende Stauproblematik wird in kürzester Zeit nach Inbetriebnahme zur Forderung nach dem Weiterbau der in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts geplanten DüBoDo-Trasse über Linden-Dahlhausen als Alternative zur A 40 führen“, sagt  Martin Lensing, Sprecher der Initiative. Diese würde nach ursprünglicher Planung Bochum, Velbert und Düsseldorf ‚verbinden‘. „Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger können sich schon einmal warmlaufen und den Widerstand organisieren“, so Lensing weiter.

Entwertung der Lebensqualität

Durch eine ‚Aufwertung‘ zur Bundesautobahn  verliere der Innenstadtring zudem seine Entlastungsfunktion und verleite durch zunehmende Staus zum Fahren durch Wohngebiete. Auch sei durch die zu erwartenden Lärm- und Schadstoffemissionen entlang der Trasse ein „signifikanter Anstieg der physischen und psychischen Erkrankungen“ samt „statistisch deutlich verkürzter Lebensdauer“ der Betroffenen zu erwarten, sagt Martin Lensing voraus. Bis zum Jahr 2025 wird von Straßen.NRW-Geschäftsführer Pudenz mit einem Anwachsen des Verkehrsstroms im Bereich des heutigen Nordhausenrings auf einen Tagesdurchschnitt von 60.000 Fahrzeugen gerechnet. Auch wenn zur Lärmminderung ‚offenporiger Asphalt‘ und bis zu zehn Meter hohe Lärmschutzwälle und -wände in die Landschaft eingezogen werden, dürfte ein so hohes Verkehrsaufkommen die Lebensqualität im Bereich der Bochumer Querspange dauerhaft vermindern.

Autobahn auf – Opel dicht?   

Wenn mit der Fertigstellung der Querspange 2015 der Autobahnkessel um Bochum herum komplett geschlossen sein wird, könnten beim künftig direkt an die A44 angeschlossenen Opel-Werk I bereits die letzten Karossen vom Band laufen (siehe :BO in Kürze, Seite 1). Der Werksstandort Bochum jedenfalls dürfte durch die ‚Opel-Spange‘ wohl kaum gerettet werden. „Es gibt reichlich Möglichkeiten, wie man Verkehr intelligenter gestalten kann“, ist Klaus Kämper überzeugt, der sich bereits seit über 35 Jahren gegen den Autobahn-Wahn in Bochum engagiert. Die DüBoDo jedenfalls sei bis heute verhindert worden, ergänzt das inzwischen 63-jährige BI-Mitglied aus Bochum Steinkuhl. „Die Städte im Ruhrgebiet schrumpfen – dennoch werden immer noch neue Autobahnen gebaut“, setzt der 67-jährige Diplom-Jurist Carlo Lewerenz (Ruhr-Uni Bochum) hinzu: „Es geht dabei nicht um die Menschen, sondern darum, die Kapitalverwertung zu optimieren.“

Proteste auf Sparflamme runtergeregelt

Nur eine Handvoll Aktivisten haben sich eingefunden, um den in den frühen Nachmittag verlegten ‚ersten Spartenstich‘ mit leisen Tönen zu kommentieren. „Ich bin Freiberuflerin – ansonsten könnte ich es mir nicht leisten, um diese Zeit hier zu sein“, sagt Ursula Dreier vom Grünen-Ortsverein Bochum Süd. Auch war die Startzeit des ersten Baggerbisses (13.30 Uhr) weder in der WAZ-Bochum noch im Netzportal bo-alternativ zu erfahren – auch dies trug sicherlich dazu bei, erwartbare Proteste auf Sparflamme runterzuregeln. Auf die Frage, warum auch die NRW-Grünen das Projekt nicht haben verhindern können, antwortet Ursula Dreier knapp: „Clement war stärker.“ Schade, dass Vernunft in der Politik so wenig zählt.

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