Vergangenen Donnerstag überreichte das „Bürgerbegehren Musikzentrum“ rund 15.000 Unterschriften an Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz. Davon müssen 11.900 gültig sein, damit der Rat am 13. Dezember über die Zulässigkeit des beantragten Bürgerentscheids tagt. Aber warum lehnen – wie die InitiatorInnen des Bürgerbegehrens – so viele BochumerInnen das Musikzentrum ab? Und was verspricht sich die Stadt von einem solchen ‚Musikpalast‘?
Es soll „eines der wichtigsten Kultur- und Bildungsvorhaben für unsere Stadt“ werden, „das von einem starken bürgerschaftlichen Engagement getragen wird“ – so jedenfalls wird Kulturdezernent Michael Townsend auf den Netzseiten des geplanten Musikzentrums zitiert. Die Pläne für den Bau an der Viktoriastraße sehen neben einem konzertant nutzbaren Saal mit 1000 Plätzen auch einen Multifunktionssaal in der integrierten Marienkirche sowie zahlreiche Proberäume, Notenarchive etc. vor. Es soll nicht nur ein Zuhause und Konzerthaus für die Bochumer Symphoniker sein, sondern auch Raum für die derzeit in einem Nebengebäude des Rathauses verortete Musikschule und ihre rund 10.000 SchülerInnen bieten. Dadurch soll ein „zugängliches, offenes Zentrum für die Produktion und Präsentation von Musik unterschiedlichster Art“ entstehen. Durch den Bau sollen auch Arbeitsplätze geschaffen und die Wirtschaft angekurbelt werden.
Vom starken bürgerschaftlichen Engagement getragen ist momentan aber vor allem eins: das Bürgerbegehren gegen das Musikzentrum. Die Initiative kritisiert unter anderem, dass die Bau- und Betriebskosten lückenhaft kalkuliert seien. Vorgesehen ist, dass sich die Stadt am Bau mit 2,4 Millionen und an den jährlichen Betriebskosten mit 300.000 Euro beteiligt. Das ist verhältnismäßig wenig – für die Bürgerinitiative zu wenig und unrealistisch. Sie fordert deshalb, den Bau durch einen Bürgerentscheid legitimieren zu lassen: „Wir haben gemerkt, dass wir mit unserem Bürgerbegehren auch vielen BürgerInnen wieder Mut gemacht haben, die sich aufgrund der demokratiefeindlichen ‚Erbhofmentalität‘ der SPD und ihrer schwarz-gelb-grünen HelferInnen schon längst angewidert von der Bochumer Politik abgewandt haben“, so Christoph Nitsch, Mitglied im SprecherInnenrat des Bürgerbegehrens.
Kein einziges Literaturhaus im Ruhrgebiet
Eine wesentlich kostengünstigere Option als ein Musikzentrumsneubau könnte beispielsweise die Verwirklichung des bereits 1999 angedachten Konzepts eines „Europäischen Literaturhauses Ruhr“ durch den Umbau einer bereits bestehenden Immobilie im ‚Kreativquartier‘ sein. Während sich Berlin gleich drei Literaturhäuser leistet, sucht man in der Ruhr-Metropole vergebens nach einer solchen Institution. Im Ruhrgebiet ist die Kulturpolitik wohl mehr als anderswo „unter das Diktat der Wirtschaftsförderung geraten“, so bringt es Gerd Herholz, wissenschaftlicher Leiter des Literaturbüros Ruhr in Gladbeck, auf den Punkt. Ein Projekt wie das eines Literaturhauses darf jedoch nicht auf Kosten bestehender Kultureinrichtungen wie den teils schließungsbedrohten Stadtteilbibliotheken oder der – durch Haushaltskürzungen wie beim Kulturzentrum Bahnhof Langendreer – zunehmend kaputtgesparten ‚freien Szene‘ gehen. Denn eine Kulturpolitik, die sich mit neuen Großprojekten schmückt, während anderswo massiv gespart wird, ist kaum nachvollziehbar. So erhöhte die Stadtbücherei ihre Gebühren Anfang des Jahres deutlich, da das Haushaltssicherungskonzept der Stadt jährlich 150.000 Euro Mehreinnahmen fordert.
Auch müssen Fehler wie die Schaffung einer Investitionsruine durch den Abriss des alten Stadtbads unbedingt vermieden werden. Das 1953 eröffnete Gebäude wurde 1988 aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen und 1998 abgerissen, anstatt wie geplant unter Denkmalschutz gestellt und für zehn Millionen D-Mark saniert zu werden. Die Stadtverwaltung ließ die Immobiliengruppe Häusser-Bau 2002 für 60 Millionen Euro „im Herzen von Bochum ein neues Einkaufs-, Büro- und Dienstleistungszentrum mit gleichzeitiger Anbindung an ein neues Schwimmbad“ errichten. Nachdem das Becken in der ‚Stadtbadgalerie‘ im Juli wegen eines Wasserrohrbruchs geschlossen wurde, soll das Bad endgültig geschlossen werden – weder Stadt noch Betreiber zahlen die Sanierung.
Bürgerbegehren ernstnehmen!
Im Fall des Stadtbades scheiterte 1997 ein Bürgerbegehren absurderweise formell daran, dass statt des Geburtsdatums das Alter der mehr als 40.000 Unterzeichnenden erfasst worden war. 2003 kam es noch dicker: Nachdem bei einem Bürgerbegehren gegen ein sogenanntes Cross-Border-Leasing- Geschäft mit einem US-amerikanischen Investor mit dem Kanalnetz der Stadt als ‚Pfand‘ 15.280 Unterschriften fristgerecht eingereicht worden waren, jettete die damalige Stadtkämmerin Scholz kurzerhand nach New York und unterzeichnete den Vertrag, der sechs Jahre später aus juristischen Gründen wieder aufgelöst wurde. Statt einen Bürgerentscheid folgen zu lassen, setzte sich die heutige Oberbürgermeisterin damals einfach über das Begehren ihrer BürgerInnen hinweg. Dies darf sich beim Konzerthaus nicht wiederholen!
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