Der Brite John B. Gurdon ist ein Pionier der Entwicklungsbiologie und ehemaliger Professor der University of Cambridge. Geboren wurde er am 2. Oktober 1933 in Dippenhall, Hampshire, England. 1962 schaffte er es, einen Frosch zu klonen und somit das erste Klonexperiment in der Geschichte der Wissenschaften erfolgreich umzusetzen. Obwohl die Fachwelt seiner „exotischen“ Arbeit anfangs nur wenig Aufmerksamkeit schenkte, gelang es ihm dennoch, einen festen Platz in den Lehrbüchern der Zellbiologie einzunehmen – heute gilt John B. Gurdon als Begründer des Klonens und Wegbereiter dieser umstrittenen Wissenschaft. 1996 klonten die Briten Ian Wilmut und Keith Campbell am Roslin-Institute bei Edinburgh ein weiteres Tier. Aus einer einzelnen Euterzelle erschufen die beiden Wissenschaftler das erste geklonte Säugetier – das Schaf Dolly. Ein weiteres Experiment gelang den Wissenschaftlern Ryuzo Yanagimachi und Teruhiko Wakayama von der University of Hawaii. Sie klonten eine Maus.
Für die Forscher ergab sich aus den durchgeführten Experimenten und den gewonnenen Ergebnissen eine Erkenntnis: Die Lebensuhr lässt sich zurückstellen. Dass dies auch ohne „traditionelles“ Klonen möglich ist, bewies nun der japanische Forscher Shinya Yamanaka. Yamanaka versetzte die Hautzellen von Mäusen zurück in einen embryonalen Zustand. Aus diesen embryonalen Zellen, genannt „induzierte pluripotente Stammzellen (iPS)“, können alle Typen von Maus-Körperzellen erzeugt werden. Ein Jahr später gelang der Versuch auch mit menschlichen Hautzellen. John B. Gurdon und Shinya Yamanaka wurden nun für ihre Arbeit ausgezeichnet. Sie teilen sich in diesem Jahr den Nobelpreis für Medizin.
Die Methode(n)
Bereits in den 1960er Jahren stellte Gurdon fest, dass in Eizellen Faktoren enthalten sind, die die Erbanlagen von erwachsenen Eizellen in einen embryonalen Zustand zurückversetzen können. Gurdon entfernte den Kern einer Frosch-Eizelle und ersetzte ihn durch den Kern einer erwachsenen Frosch-Körperzelle. Aus dieser entstanden dann ein Embryo und schließlich eine Kaulquappe. Yamanaka und sein Team setzten die Arbeit des Briten in Japan fort. 2006 gelang schließlich der Durchbruch. Die Forscher entwickelten ein Verfahren, das aus menschlichen Körperzellen embryonale Zellen werden lässt. Yamanaka stellte fest, dass eine Kombination von vier Proteinen in einer erwachsenen Zelle einen embryonalen Zustand hervorrufen kann. Dazu werden die Gene für die vier Faktoren in die Zelle geschleust. In dieser bilden sich dann Proteine, die ein genetisches Programm einleiten. Eine embryonale Zelle entsteht, die sich in alle Zellarten des Körpers transformieren lässt.
Medizinische Revolution – Ethisches Dunkel
Yamanakas Experimente stoßen eine bisher verschlossene Tür der modernen Medizin auf. Möglichkeiten, die bisher nur in Science-Fiction-Filmen thematisiert wurden, rücken nun in greifbare Nähe. Defekte Organe, Gewebe, vielleicht sogar ganze Körperteile könnten in Zukunft komplikationsfrei ersetzt werden – soweit die Erwartungen und Hoffnungen der Forscher. Für die Medizin würde dies nach der Erfindung des Penicillins und moderner Antibiotika eine neue Evolutionsstufe bedeuten. Die menschliche Lebenserwartung könnte durch den Einsatz von iPS-Zellen um ein Vielfaches gesteigert werden. Eventuell könnte man sogar Schlaganfallpatienten im Rahmen neuer Therapien behandeln und zerstörte Hirnmasse ersetzen. Auch Demenzkranke könnten von den Zellen profitieren.
Sofern sich alle Erwartungen und Hoffnungen bewahrheiten, werden sich weitere Fragen ergeben. Derzeit lässt sich nur schwer abschätzen, welche Tragweite Yamanakas Forschungsergebnisse haben und welche Möglichkeiten sich aus ihnen ergeben. Es handelt sich um ein Thema, das auch ethische Fragen aufwirft und mit hoher Wahrscheinlichkeit einen regen Diskurs anstoßen wird. Einen Diskurs, den bereits die Nutzung menschlicher embryonaler Stammzellen hervorbrachte. Man wird Fragen stellen müssen. Zum Beispiel was den Menschen nach einer umfassenden Behandlung mit iPS-Zellen noch menschlich sein und nicht künstlich werden lässt. Man wird Modelle und Regelsysteme erarbeiten müssen, damit die „iPS-Technologie“ nicht zu einer Ware der Reichen verkommt. Diese Fragen stellen sich jedoch erst, wenn Yamanakas Lebenselixier wirklich funktioniert und die Hürde bloßer Erwartungen und Hoffnungen überwindet.
Ehrfurcht vor dem Leben
Nach Yamanaka sollen die iPS-Zellen vorrangig bei der Behandlung von Kranken eingesetzt werden. Nach seiner Aussage wäre ein Rückschlag in diesem Bereich für ihn ein trauriges Ergebnis – daran könne auch der Nobelpreis nichts ändern. Was sich jedoch durch seine Forschungsergebnisse ändern könnte, ist die menschliche Ehrfurcht vor dem Leben. Argumentationen über Ethik und den natürlichen Kreislauf des Lebens helfen dem Sterbenden nur wenig. Zu sterben ist genauso natürlich wie der Wunsch zu leben – wie lange, entscheidet der Mensch wohlmöglich bald selbst.
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