An Türen und Wänden der Gebäude der G-Reihe sind seit einigen Tagen Plakate zu sehen, die darüber informieren, dass der Fachschaftsrat Sozialwissenschaft den Aufruf der DGS, das CHE-Ranking zu boykottieren, unterstützt. Zu sehen ist ein Ausschnitt aus der regelmäßig vom CHE in der ZEIT veröffentlichten Rangliste mit den charakteristischen grünen, gelben und roten Punkten. Über das „Warum“ des Boykotts gibt das Plakat leider kaum Auskunft. Die SoziologInnen sind nicht die Einzigen und auch nicht die Ersten, die aus dem Hochschulbewertungssystem aussteigen wollen.
Boykott von allen Seiten
Bereits Anfang 2007 verweigerten die Schweizer Hochschulen dem CHE die Zusammenarbeit, später im selben Jahr teilte die Qualitätssicherungsagentur AQA mit, dass sich auch die Hochschulen Österreichs nicht mehr an der Bewertung beteiligen wollen. Im gleichen Jahr war das CHE auch Thema an der Bochumer Uni. Einem Boykottaufruf des AStA der Alice-Salomon-Fachhochschule (ASFH) in Berlin schloss sich das hiesige Protestplenum an; die Freie Universität Bochum (ein aus Protest gegen die Einführung der allgemeinen Studiengebühren gegründetes Aktionsbündnis, das lange Zeit das heutige Tutorienzentrum (TUZ) besetzt hielt) bekundete öffentlich ihre Solidarität mit dem AStA der ASFH. Seitdem gab und gibt es immer wieder im gesamten deutschsprachigen Raum Kritik an Hochschulrankings im Allgemeinen und dem CHE-Ranking im Besonderen. Der Historikerverband lehnt in diesem Jahr wie schon 2009 die Zusammenarbeit mit dem CHE ab, das nach Aussage des Verbandsvorsitzenden Werner Plumpe die „Studenten in die Irre“ führe. Bundesweit schlossen sich 22 historische Seminare und Institute dieser Meinung an. Das der RUB ist nicht dabei. Auch die Gesellschaft Deutscher Chemiker hat am 17. September diesen Jahres beschlossen: „Das CHE-Ranking soll nach Ansicht des Vorstands von Chemikerinnen und Chemikern aller Ausrichtungen, egal welchen Ausbildungs- und Berufsstadiums, boykottiert werden.“ Ganz anders die Reaktion des Germanistischen Instituts der RUB: Als die Ergebnisse des Rankings 2010 bekannt wurden, plakatierte das Institut die Flure in und um GB mit Plakaten zu: „Bochumer Germanistik ist ‚spitze‘“.
Methodische Mängel und substanzielle Skepsis
Vom DGS kommt vor allem der Vorwurf, das CHE arbeite methodisch unsauber. In einer Stellungnahme des DGS vom Juni diesen Jahres ist von „gravierenden methodische Schwächen und empirischen Lücken“ und von Einladungen zur „Fehlwahrnehmungen der Sachlage“ die Rede. Insbesondere wird bemängelt, dass den Ergebnissen aus Studierendenbefragungen großes Gewicht beigemessen wird. Diese Befragungen seien methodisch unzureichend und wenig aussagekräftig. Von vielen KritikerInnen werden sie deshalb als „Wohlfühlfaktoren“ belächelt. Das CHE selbst sieht in gerade diesem Punkt aber die große Stärke seines Evaluationssystems. Schließlich zeige dies die Qualität der Lehre, nicht bloß – wie bei vielen anderen Rankings – die Qualität der Forschung. „Das Ranking zeigt […], ob die Studenten gut betreut werden, ob sie wichtige Bücher in der Bibliothek finden, ob sie im Studium das Gelernte mit der Praxis verbinden können“, sagt der Chef des CHE, Frank Ziegele.
Grundsätzliche Vorbehalte gegen die Verantwortlichen hinter der Tabelle der besten Unis erhebt unter anderem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Der Interessenverband der im Bildungssektor Angestellten hat bereits 2009 die Zusammenarbeit mit der Bertelsmann-Stiftung aufgekündigt. In einer Mitteilung der GEW heißt es: „Die bildungspolitischen Leitlinien der GEW sind von den Grundprinzipien Staatlichkeit, Steuerfinanzierung und Demokratie geprägt. Diesen stehen die Bertelsmann-Prinzipien Wettbewerb, Markt, Effizienz und Effektivität diametral gegenüber.“ Die Bertelsmann-Stiftung ist die größte Geldgeberin des als gemeinnützige GmbH firmierenden CHE und gleichzeitig größter Anteilseignerin des Medienkonzerns Bertelsmann.
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