Essenspakete, Lagerunterbringung, Residenzpflicht – Deutschland macht es Schutz suchenden Menschen nicht leicht, in der Bundesrepublik Fuß zu fassen. Vor allem Bayern ist für seine rigide Flüchtlingspolitik bekannt. „Es ist zynisch und menschenverachtend, dass die Bundesregierung und die bayerische Staatsregierung seit Jahren nicht auf die Proteste von Flüchtlingen reagieren. Stattdessen halten sie weiter an der Strategie ‚Rückkehrförderung durch schlechte Lebensbedingungen’ fest“, sagt Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats zur Situation der Flüchtlinge.
Kein menschenwürdiges Leben
Vor allem das sogenannte Asylbewerberleistungsgesetz steht im Fokus der Kritik. In diesem sind Form und Höhe der Leistungen, auf die Asylsuchende Anspruch haben, geregelt. KritikerInnen bemängeln vor allem, dass die meisten Dinge des täglichen Bedarfs (Kleidung, Nahrung, Körperpflegeprodukte, Hausrat et cetera) in Form von Sachleistungen zur Verfügung gestellt würden. Laut Gesetz stehen den Flüchtlingen 40,90 Euro als Bargeld zur freien Verfügung zu. Damit, so Menschenrechtsgruppen, ließe sich kein menschenwürdiges Leben fristen. Es gäbe ein faktisches Arbeits- und Ausbildungsverbot. Zudem seien die Essensmarken eine zusätzliche Diskriminierung, da sie AsylbewerberInnen öffentlich kenntlich machten.
Selbst der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, sagte vor einigen Wochen, es bestünde eine „ins Auge stechende Differenz“ zwischen den Hartz-IV-Sätzen und den Geldleistungen für Asylbewerber. Er rechnete vor, dass während eine Hartz-IV-Empfängerin 374 Euro pro Monat erhält, ein Asylbewerber mit dem deutlich niedrigeren Betrag von 220 Euro pro Monat auskommen muss. Genauso wie die Hartz-IV-Sätze müssten sich die Leistungen für AsybewerberInnen jedoch am Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums orientieren. Dies sei aktuell nicht der Fall, so Kirchhof. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat die auch seiner Ansicht nach zu niedrigen Sätze beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Prüfung vorgelegt. Am 18. Juli verkündet das Gericht sein Urteil in dem Fall – BeobachterInnen gehen davon aus, dass die bisherige Regelung gekippt wird.
Residenzpflicht abschaffen!
Auch die Residenzpflicht stellt für Betroffene eine enorme Einschränkung dar. Die Regelung verpflichtet zum Aufenthalt in dem Landkreis, in dem die AsylbewerberInnen untergebracht sind. Dies schränkt nicht nur bei der Jobsuche ein – auch das Knüpfen sozialer Kontakte wird so massiv behindert. „Die Residenzpflicht gehört prinzipiell abgeschafft“, sagt Malte Steinmann von der antirassistischen Wittener Gruppe Grenzfrei, die sich für asylsuchende Menschen einsetzt, die Repression und Behördenwillkür ausgesetzt sind. „Jeder Mensch sollte selbst entscheiden können, wo er leben möchte – regional und auch weltweit“.
Die protestierenden Flüchtlinge in Würzburg indes greifen bei ihren Aktionen zu drastischen Mitteln: So traten mehrere AktivistInnen in einen Hungerstreik, wobei sich einige von ihnen den Mund zunähten. Ein Mann hat Berichten zufolge ganze 60 Tage lang gehungert. Müssen sie zurück in den Iran, droht vielen von ihnen der Tod. Neben einigen politischen Oppositionellen sind auch Menschen dabei, die etwa im Iran zum Christentum konvertieren wollten: Eine Todsünde im Mullah-Staat. Auch eine lesbische Iranerin ist unter den ProtestcamperInnen. Ihr droht die Todesstrafe, sollte sie abgeschoben werden.
„Doppelmoral“
Die Behörden lehnten ihren Asylantrag mit dem „Rat“ ab, sie solle sich „unauffällig“ im Iran verhalten, dann passiere ihr dort auch nichts. „So ein Verhalten ist eigentlich skandalös“, sagt Malte Steinmann. Er sieht im Verhalten der Behörden eine „Doppelmoral“. „Einerseits werden Menschenrechtsverletzungen in Ländern wie Iran von offizieller Seite zu Recht verurteilt. Wenn es dann aber um konkrete Hilfe für Betroffene geht, werden diese alleingelassen“, sagt er. Daher begrüße er ausdrücklich die Selbstorganisation der Asylsuchenden.
Ein Ende der Proteste in den Innenstädten gegen die Asylgesetze ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Nachdem mittlerweile in vielen Städten in Deutschland neue Protestcamps eröffnet haben, mehren sich auch andere Solidaritätsaktionen. Am vergangenen Sonntag fand am Düsseldorfer Hauptbahnhof etwa eine Protestkundgebung statt, indem die VeranstalterInnen sich „solidarisch mit den streikenden Flüchtlingen in Düsseldorf, Würzburg, Aub, Bamberg, Regensburg und Osnabrück“ zeigten. Das antirassistische No Border Camp in Köln/Düsseldorf hat sich mit den Protestierenden solidarisiert. Weitere Aktionen sollen folgen.
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