Besonders laut wurde die Kritik, da de Maizière zum Gedenken der deutschen Soldat_innen den Volkstrauertag vorgeschlagen hatte. An diesem Tag wird traditionell allen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht. Dieses Gedenken hätte abgewertet werden können, so die Befürchtung der Kritiker*innen. Nach dem neuen Vorschlag, den Tag der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen, verstummten die ablehnenden Äußerungen aus der SPD und der FDP sehr schnell. Jedoch üben die Friedensbewegung, Linke und Grüne weiterhin scharfe Kritik an den Plänen des Verteidigungsministers.
Opfer deutscher Politik
Soldat_innen zu ehren, die in Auslandseinsätzen Menschen töten, wirkt für viele Menschen wie eine Farce, was gerade im Zuge der Ostermärsche noch einmal deutlich wurde. Soldat*innen wissen, worauf sie sich einlassen. Bereits in der Vergangenheit durften keine Wehrpflichtigen in Auslandseinsätzen eingesetzt werden. Nach der Abschaffung der Wehrpflicht ist dies noch deutlicher. Alle Menschen, die für die Bundesrepublik Deutschland in den Krieg ziehen, tun dies aus freien Stücken – sie werden zwar mit viel Geld dafür entlohnt, jedoch kann keine Soldatin oder kein Soldat dazu gezwungen werden. Trotzdem sind auch deutsche Soldat*innen Opfer deutscher Politik. Ob im Kosovo, in Afghanistan oder am Horn vor Afrika, überall verteidigen Soldat_innen die Interessen deutscher Politik. Im Weißbuch der Bundeswehr steht dazu: „Deutschland hat aufgrund seiner immer engeren Verflechtung in der Weltwirtschaft besonderes Interesse an internationaler Stabilität und ungehindertem Warenaustausch. […] Deutsche Sicherheitspolitik muss auch Entwicklungen in geografisch weit entfernten Regionen berücksichtigen, soweit sie unsere Interessen berühren.“ Die größeren Opfer müssen jedoch die Verwundeten und Getöteten leisten, und zwar auf allen Seiten. Sowohl die deutschen Soldat_innen, ihre Pendants im jeweiligen Kriegsgebiet und insbesondere die Zivilist*innen. Auch, wenn in Auslandseinsätzen bisher etwa 100 deutsche Soldat_innen gestorben sind, gehen die von ihnen Getöteten in die Tausender. Wenn zum Beispiel deutsche Soldat_innen mal wieder eine Hochzeitsgesellschaft bombardieren, wird der Bundesverteigungsminister den Opfern in Deutschland wohl keinen Trauertag widmen.
Die wichtigere Arbeit
Darüber hinaus wurde auch Kritik daran laut, ausschließlich Soldat*innen zu ehren. Polizist_innen, die im Kriegseinsatz Ausbildungsarbeit leisten und insbesondere Entwicklungshelfer*innen, machen eine – in vielen Fällen – wichtigere Arbeit als deutsche Soldat_innen. Auf die Idee, Menschen zu ehren, die unbewaffnet der Bevölkerung helfen, ist der Bundesverteidigungsminister bisher nicht gekommen.
Wahrscheinlich soll der Veteranentag auch als Durchhalteparole dienen. Die Kriegseinsätze der Bundeswehr sind langwierig und bisher ohne großen Erfolg. In Serbien sind seit 1997 deutsche Soldat*innen stationiert, im Kosovo seit 1999 und selbst in Afghanistan sind mittlerweile seit elf Jahren deutsche Truppen im Einsatz. In wenigen Jahren werden die Soldat_innen wohl aus Afghanistan zurückkehren, ohne große Erfolge vorweisen zu können, denn den Afghan*innen geht es heute nicht wesentlich besser, als vor dem Einsatz der Bundeswehr.
Ein Tag der Schande?
Für die Friedensbewegung ist der 22. Mail 1956 weiterhin ein Tag der Schande. Die BRD wurde nur elf Jahre nach dem Ende der Nazizeit wiederbewaffnet. Die neugegründete Bundeswehr wurde hauptsächlich von ehemaligen Wehrmachtsangehörigen wieder aufgebaut. Der Tag der Wiederbewaffnung gilt als erster Schritt der Militarisierung Deutschlands. Das deutsche Selbstbewusstsein – insbesondere im nationalen Lager – wurde wieder gestärkt. Ein Jahr zuvor trat die Bundesrepublik der NATO bei. Die Normalisierung von Gewalt als Mittel der Politik vollzog sich sehr schnell. Auch der neue Veteranentag könnte ein Tag der Schande werden. Wird so doch die Alltäglichkeit des Krieges weiter vorangetrieben.
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