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Was nicht nur dem ZAD bitter aufstößt: Zu den PreisempfängerInnen, deren Auswahl recht willkürlich wirkt, zählt in diesem Jahr auch der türkische Regierungschef Tayyip Erdogan. Er steht gerade vonseiten des ZAD in der Kritik, da er, wie alle türkischen Regierungen vor ihm, den Genozid an den Armeniern leugnet. Zwischen 1915 und 1917, während des ersten Weltkrieges, kamen unter türkischer Besatzung 1,5 Millionen Menschen ums Leben. Dies zu leugnen ist Teil der türkischen Staatsräson und hat jüngst sogar zur Verschlechterung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Frankreich geführt. Die Sarkozy-Regierung wollte Anfang des Jahres ein Gesetz auf den Weg bringen, welches das Leugnen des Genozids in Frankreich unter Strafe stellt. Dies war ein offensichtlich rein populistischer Akt – BeobachterInnen meinten, Sarkozy wollte vor der anstehenden Präsidentschaftswahl Ende April lediglich Aktivität vortäuschen und bei der Gelegenheit gleich noch unter den armenischstämmigen Franzosen, immerhin rund 400.000 Menschen, auf Stimmenfang gehen. Wie auch immer – der französische Verfassungsrat kippte das Gesetz mit der Begründung, dies sei ein unzulässiger Angriff auf die Meinungsfreiheit, man wolle sich „nicht in die Arbeit von Historikern einmischen.“ In der Türkei prüft man derzeit, ob die eingeleiteten Sanktionen wieder gelockert werden.

Preis für „Geradlinigkeit“

Nun soll also Erdogan den Steiger-Award erhalten. Auf der Website heißt es: „Wieder einmal werden Menschen ausgezeichnet, die geradlinig ihren Weg verfolgen.“ Zumindest in diesem Punkt kann man Erdogan keine Vorwürfe machen. Eine Distanzierung des Veranstalters ist bislang nicht erfolgt. Diese verkünden lieber: „Seit Jahren bemüht sich S.E. Premierminister Recep Tayyip Erdogan um einen demokratischen Wandel in seinem Land.(…) Für diese Bemühungen, aber auch als deutliches Zeichen für gelebte deutsch-türkische Freundschaft erhält Premierminister Erdogan den Steiger Award in der Kategorie ‚Europa‘“.
Neben Erdogan sind weitere seltsame Personalien angekündigt. Die Laudatio auf den türkischen Ministerpräsidenten hält etwa Gerhard Schröder, Bundeskanzler a.D. Eine konsequente Entscheidung, war er es doch, der den ewigen russischen Präsidenten Putin zum „lupenreinen Demokraten“ adelte.  Während dieser die Opposition niederprügeln lässt, betätigt sich Schröder als Lobbyist für russisches Gas. Überhaupt wirkt die Liste der LaudatorInnen wie ein politisch-publizistisches Gruselkabinett. Neben Schröder wird Liz Mohn sprechen. Dies ist ebenfalls konsequent, führt man sich vor Augen, dass der von ihr geführte Bertelsmann-Konzern maßgeblich an Schröders Agenda 2010 mitgewirkt hat.

Henning Mankell als Laudator

Skandalöser jedoch ist die Berufung des schwedischen Bestseller-Autors Henning Mankell als Laudator. Mankell, der unter anderem für die Wallander-Romane verantwortlich zeichnet, ist glühender Gegner Israels. Er war mit an Bord der Propagandaflotte Marvi Marmara, das 2010 die israelische Blockade des Gazastreifens brechen wollte. Auf dem Schiff waren nachweislich Unterstützer der palästinensischen Terror-Gruppe Hamas, beim feierlichen Auslaufen des Schiffes wurde unter anderem „Tod den Juden“ skandiert. Mankell hat dies nach eigenen Angaben nicht mitbekommen, was nicht weiter schlimm ist, da er aus seinen antiisraelischen Gelüsten keinen Hehl macht. So sagte er angesichts des so genannten Nahost-Konflikts etwa, dass es „Israel (…) genauso ergehen (wird) wie Südafrika unter der Apartheidzeit. Die Frage ist nur, ob die Israelis Vernunft annehmen werden und freiwillig einer Abwicklung des Apartheidstaates zustimmen werden. Oder ob es zwangsweise geschehen wird. Die Frage lautet also nicht ob, sondern wann es geschieht. Und natürlich auch, auf welche Weise.” Deutlicher muss man nicht werden. An diesem Abend befindet sich Erdogan, unter dessen Regierung die Marvi Marmara 2010 von der Türkei aus startete, also in bester Gesellschaft.

Demokratische Feigenblätter

Verwunderlich ist, wer alles kein Problem damit zu haben scheint, das demokratische Feigenblatt für das Schaulaufen dieser Polit-Irren zu mimen. Zur Eröffnung wird Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz sprechen. Auch Landesprominenz hat sich angekündigt: Die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wird ein Grußwort vortragen. Die Moderation des Abends übernimmt Max Schautzer, Schauspieler und Moderator, vor allem bekannt durch „Immer wieder Sonntags“, dem „ARD Wunschkonzert“ und „Pleiten, Pech und Pannen. Weitere Awards gehen unter anderem an „Ihre Majestät Königin Silvia von Schweden (…) in der Kategorie ‚Charity‘“ und an  Bundespräsidenten a.D. „Prof. Dr. Horst Köhler (…) in der Kategorie ‚Toleranz‘“. Begründung: „Der Altbundespräsident machte sich in seiner Amtszeit von 2004 – 2010 u.a. für eine menschliche Globalisierung mit verlässlichen Regeln stark.“ Wir erinnern uns: „Meine Einschätzung ist aber, dass wir insgesamt auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel (…) auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege(…).“ Und so bleiben einige Fragen offen: Was hat sich der Veranstalter bei der Auswahl der Gäste gedacht? Soll dies ein politisches Statement sein? Aber auch: Was passiert mit dem Eintrittsgeld zur Preisverleihung? Das Ticket kostet immerhin ganze 175 Euro, während der Award selbst undotiert ist. Der Veranstalter Sascha Hellen war bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Dass er allerdings von den umstrittenen Personen abrückt, ist nicht zu erwarten – denn dann würde es eine ziemlich einsame Veranstaltung werden.

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