Das ist schon eine kleine Sensation. Galt den hiesigen MeinungsmacherInnen das Projekt der Kulturhauptstadt als gescheitert, da gewaltige Subventionen in sogenannte Leuchtturmprojekte verpulvert wurden, so ist nun Umdenken angesagt. Zwar konnte die lokale Kulturszene vordergründig nicht von der Imageoffensive profitieren, doch nachhaltig wird sie sich wohl auf die Struktur der Region auswirken und Investoren anlocken. Also: Mission geglückt?
Kohle, Kumpel, Kneipen
Bevor nun das Tischfeuerwerk „Strukturwandel“ gezündet wird, sei darauf hingewiesen, dass nach wie vor das Thema „Bergbau“ dominierend ist, wenn es um den Ruf der Revierstädte geht. Doch dazumal fiel die Antwort eindeutiger aus: Kohle, Kumpel, Kneipen. Das gilt nunmehr nicht ganz. Als Forsa-Chef Manfred Güllner unlängst die aktuelle Studie vorstellte, kam Erstaunliches zutage. Denn vor nur vier Jahren untersuchten die Berliner Meinungsforscher schon einmal, was den Menschen einfällt, wenn sie an das Revier denken. Die Neuauflage der Umfrage, für die das Institut im vergangenen Februar 1500 Menschen befragt hat, präsentiert nun bemerkenswerte Veränderungen: Ganze 43 Prozent der Deutschen, die nicht im Ruhrgebiet leben, haben ein positives Bild von der Ruhr-Region. Dagegen steht naturgemäß die Selbstunterschätzung der BürgerInnen aus der Ruhr-Region. So glauben nur 35 Prozent der Menschen im Revier, dass die restlichen Deutschen positiv auf das Ruhrgebiet blicken.
Die neue Vielfalt
Was heißt das nun konkret? Vor vier Jahren hat spontan mehr als jeder zweite Befragte (53 Prozent) die Kohle genannt, wenn es um das Ruhrgebiet ging. Inzwischen ist es noch jeder dritte BundesbürgerIn (34 Prozent). An Subventionen der Revierkohle denkt 2012 niemand mehr. 2008 waren es dagegen noch zwei Prozent. Dazwischen lag das Kulturhauptstadtjahr. Gerade im Bereich Kultur hat sich das ausgewirkt. Kam vor vier Jahren gerade einmal zwei Prozent der Menschen in Deutschland die Kultur in den Sinn, wenn sie befragt wurden, was ihnen zum Ruhrgebiet einfalle, so sind es mittlerweile immerhin zehn Prozent. Das Image des Ruhrgebiets ist vielfältiger geworden“, resümiert Forsa-Chef Güllner.
Jetzt darf man natürlich nicht vorschnell die falschen Schlussfolgerungen ziehen, wie etwa Initiativkreis-Ruhr-Moderator Bodo Hombach, der gleich nach Veröffentlichung der aktuellen Studie herausposaunte: „Events bewirken etwas.“ Schon werden von Seiten des Initiativkreises das Öko-Stadtumbauprojekt „Innovation City“ in Bottrop und der „IT-Gipfel“, der in diesem Jahr erstmals in Essen stattfinden wird, hochgejubelt.
Ohne Subventionen
All das spiegelt eine fatale Fehleinschätzung wider. Denn der Kulturhauptstadtfaktor hat sich nicht wegen, sondern trotz der Events entfaltet. Unsummen wurden in flüchtige Projekte verpulvert, zumeist von LokalpolitikerInnen, die von einem neoliberalen Geist getragen, auf ein fragwürdiges Renommee schielten. Bestehende Strukturen wurden hingegen nicht unterstützt, Aspekte von Nachhaltigkeit kurzerhand vom Tisch gefegt. Es passte nicht zusammen, als beispielsweise am Bochumer Schauspielhaus Roland Schimmelpfennig sein hochsubventioniertes (und zudem hochüberflüssiges) Odyssee-Stück einrichten durfte und gleichzeitig der freien Theaterszene die Mittel empfindlich gekürzt wurden. Hier ging viel Vertrauen verloren. Es war das Jahr der Abzocker und der Ignoranten. Dennoch hat sich seit 2010 einiges in der lokalen Kulturszene getan. Jedoch aus Trotz. Und ja, es stimmt: nie war im Ruhrgebiet so viel Kultur wie heute. Aus Trotz haben sich ganze Stadtteile in hippe Szeneviertel verwandelt. Flaniert man heutzutage durch das ehemals triste Bochumer Ehrenfeld, traut man seinen Augen nicht: Prenzlauer-Berg-Flair und ein bisschen Hamburg. Hier hat sich einiges getan und zwar von unten und zwar ohne Subventionen. Aspekte, die eine Forsa-Umfrage leider nicht erheben kann. Nur schade dann, wenn sich die Abzocker und Ignoranten die Erfolge an eigene Revers stecken wollen.
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