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Im Sommer dieses Jahres ist Wilhelm Steitz nach Kiel gefahren, um sich den dortigen Trinkraum anzusehen. Ihn überzeugte das Konzept so sehr, dass er für den Rat der Stadt Dortmund eine Vorlage für die Errichtung eines eigenen Trinkraumes formulierte. Seitdem begann die SPD in der Nordstadt gegen das Konzept sturmzulaufen. An das örtliche Ratsmitglied Marita Hetmeier erinnert man sich besonders wegen ihrer Demo gegen den Dortmunder Straßenstrich unter dem Motto „Wir blasen ohne Gummi“. Nach der Verhöhnung der Prostituierten führt sie auch die Kampagne gegen den Trinkraum an. Nachdem ein anonymes Flugblatt gegen den Trinkraum auftauchte, erstattete Steitz Anzeige wegen des fehlenden Impressums und begründete dies damit, dass er eine Verbindung zur Neonaziszene befürchtete. Marita Hetmeier, die für das Flugblatt verantwortlich ist, wies die Neonazivorwürfe entschieden zurück und erwartet seitdem eine Entschuldigung von Steitz.

Der Trinkraum

Der Raum selbst wurde von der Stadt am 1. Dezember in Besitz genommen und wird noch bis Januar renoviert, er liegt an der Kreuzung Nordstraße und Heroldstraße. Die ehemalige Kneipe hat – laut Steitz – eine ideale Raumaufteilung, mit einem großen Aufenthaltsraum und mehreren kleineren Zimmern. Sieben Mitarbeiter_innen werden in der Einrichtung arbeiten, Sozialarbeiter_innen und andere Unterstützer_innen. In den Raum können Menschen ihren eigenen Alkohol mitbringen, abgesehen von Hochprozentigem. Es gibt Aufenthaltsmöglichkeiten, Beratungsräume, einen Fernseher, Internet und voraussichtlich einen Kicker. Auch Essen zu sehr günstigen Preisen  wird wohl angeboten werden. Gerade im Winter müssen Menschen so nicht draußen auf der Straße verbringen. „Noch vor der Eröffnung werden wir alle Nachbarn einladen und unser Konzept vorstellen“, sagt Wilhelm Steitz. Derzeit halten sich die meisten Menschen am Nordmarkt auf und trinken in der Öffentlichkeit. In der Nähe befinden sich eine Kindertagesstätte und ein Spielplatz. Viele Bewohner_innen wollen deshalb die trinkenden Menschen ganz vertreiben. „Der Trinkraum befindet sich ganz in der Nähe des Nordmarktes, damit wir die Menschen dort abholen können, wo sie auch sind“, erklärt Steitz.

Kein Zwang

Wilhelm Steitz ist es wichtig, dass der Trinkraum nicht mit einer Vertreibung trinkender Menschen vom Nordmarkt verbunden wird: „Wir wollen Menschen mit Suchtproblemen ein Angebot machen, zu uns zu kommen.“ Der Trinkraum soll keine Zwangseinrichtung werden. Natürlich erhoffen sich die Befürworter_innen den Nebeneffekt, dass sich Alkohol trinkende Menschen vom öffentlichen Markt in den geschlossenen Raum verlagern. „Es geht nicht darum trinkende Menschen aus dem öffentlichen Bild zu vertreiben, sondern ihnen Hilfsangebote zu machen“, erläutert Wilhelm Steitz.Für den Trinkraum wurde bereits ein Beirat eingerichtet, der eine Art Aufsicht über die Räumlichkeiten haben soll. Ihm gehören auch ehemalige Gegner_innen des Projektes an, wie Eltern der Kinder, die in der Nordstadt zur Schule gehen und die Caritas. Der Trinkraum wurde erst einmal für zwei Jahre beschlossen, danach sollen deren Auswirkungen auf die Nordstadt evaluiert werden. „Im schlimmsten Falle ändert sich an der derzeitigen Situation überhaupt nichts, aber positive Auswirkungen sind sehr wahrscheinlich“, meint Steitz.

Rot vs. Grün

Der Kleinkrieg zwischen den Parteien geht derweil weiter: Auf der Veranstaltung von Marita Hetmeier gegen den Trinkraum versuchten einige grüne Politiker_innen der aufgebrachten Menge die Vorteile des Raumes zu erklären, vergebens. Die SPD-Ratsfrau Hetmeier erwägt noch immer eine Anzeige wegen Beleidigung gegen den grünen Rechtsdezernenten Steitz. „Warum Marita Hetmeier und die Nordstadt-SPD immer wieder Ressentiments gegen Prostituierte, Sinti und Roma und nun auch gegen Alkoholiker schüren, bleibt mir ein Rätsel“, sagt Steitz. Teile der Dortmunder SPD scheinen in Fragen von Menschenrechten, Rassismus und Sexismus noch rechts von der CDU zu stehen. Auch deshalb sind 2009 die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen gescheitert. Dortmund wird seitdem mit wechselnden Mehrheiten regiert.

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