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Im Landtagswahlkampf spielte die Schulpolitik eine große Rolle. Die inzwischen abgelöste schwarz-gelbe Landesregierung hielt am mehrgliedrigen Schulsystem fest, während die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke das Schulsystem grundlegend hin zu mehr Gerechtigkeit umbauen wollten. Noch bevor die rot-grüne Minderheitsregierung gebildet wurde, lehnten die Hamburger Bürger_innen in einem Volksentscheid jedoch eine ganz ähnliche Schulreform ab. Unter diesen Umständen hat sich die rot-grüne Landesregierung dazu entschieden, keine Reform per Gesetz zu verordnen, sondern die Schulen, Eltern und Kommunen vor Ort entscheiden zu lassen.

Bochumer Verhältnisse

In Bochum brachte die Linkspartei das Thema Gemeinschaftsschulen auf die Tagesordnung. Sowohl SPD, Grüne, Linke als auch die Soziale Liste stehen der Schulreform sehr positiv gegenüber. Am 28. September beschloss schließlich der zuständige Ausschuss für Bildung und Wissenschaft, dass eine Befragung unter allen Eltern der Dritt- und Viertklässler_innen an städtischen Grundschulen durchgeführt werden soll, in der gefragt wird, ob sie ihre Kinder auf eine Gemeinschaftsschule schicken würden.

Ergebnisse überraschend positiv

Ulrich Wicking vom Schulverwaltungsamt ist der Meinung, dass „die Bochumer Eltern einer Beteiligung der Stadt Bochum am Schulversuch `Gemeinschaftsschule´ in einem beachtlichen Ausmaß positiv gegenüberstehen.“ Als besonders bemerkenswert ist hervorzuheben, dass bei der freiwilligen Befragung fast 76 Prozent der Eltern teilgenommen haben (Detailergebnisse siehe Kasten). „Auch die notwendige Heterogenität der Schülerschaft zur Bildung leistungsdifferenter Lerngruppen scheint – vor allem unter Berücksichtigung von potentiellen `Gymnasiasten´ – erreichbar zu sein“, fügt Wicking hinzu. Bisher interessieren sich sechs Schulen dafür, eine Gemeinschaftsschule zu werden. Die Schulverwaltung der Stadt Bochum schlägt sehr vorsichtig vor, zum Schuljahr 2011/12 eine Gemeinschaftsschule in Bochum-Mitte einzurichten. SPD, Grüne, Linke und die Soziale Liste sehen das als eine große Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit, auch wenn die genauen Vorstellungen über die Reichweite der Schulreform auseinandergehen. CDU und FDP hingegen befürchten weiterhin die Einführung von „Sozialismus“ in der Schulpolitik.

Schulentwicklungsplanung

Derzeit beschäftigt sich die Stadt Bochum mit der Schulentwicklungsplanung der nächsten Jahre. Aufgrund des demographischen Wandels wird sich die Schullandschaft erheblich verändern. Es ist bereits heute schon abzusehen, dass es immer weniger Kinder gibt und somit auch weniger Schulen benötigt werden. Dabei gilt es eine schwierige Balance zu halten zwischen dem Wunsch nach kleineren Klassen, den möglichen längeren Schulwegen besonders für Grundschulkinder und der Finanzierbarkeit der Schulen in einer Kommune ohne genehmigten Haushalt. In den nächsten Jahren werden einige Schulen geschlossen werden müssen. Der Widerstand dagegen wird dann aber wohl wieder von den privilegierten Schichten bestimmt werden – wie zuletzt beim Volksentscheid in Hamburg.

Schon seit einigen Jahren sind sich Expert_innen einig: Ein mehrgliedriges Schulsystem ist ungerecht und sogar leistungsschwach. Jetzt scheinen auch die Bochumer Eltern hinter dem neuen Konzept zu stehen: „Wir brauchen endlich eine Schule, in der alle Kinder gemeinsam leben und lernen können“, bestätigt eine der befragten Mütter. Auch wenn die neuen Veränderungen nur ein zaghafter Schritt in Richtung größerer Bildungsgerechtigkeit darstellen, scheint sich in der Schullandschaft auch in Bochum langsam etwas zu verändern.

Elternbefragung

Teilnahme der Eltern: 75,7 Prozent
Pro Gemeinschaftsschule: 47,7 Prozent

Elternwille ohne Gemeinschaftsschule:
2,94 Prozent auf Hauptschulen
40,04 Prozent auf Realschulen
53,88 Prozent auf Gymnasien
34,22 Prozent auf Gesamtschulen und
12,31 Prozent noch unentschlossen.

Gemeinschaftsschulen nach Erstwahl:
2,1 Prozent der Hauptschul-Wahl
20,7 Prozent der Realschul-Wahl
18,4 Prozent der Gymnasial-Wahl und
22,3 Prozent der Gesamtschul-Wahl

Quelle: Unterlagen des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft des Rates der Stadt Bochum vom 29.11.2010

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