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Sisyphos muss Journalist gewesen sein: Etwas mehr als ein Jahr nach seinem Freispruch vom Vorwurf eines angeblichen Aufrufs zur gefährlichen Körperverletzung vom 2. Juli 2009 (siehe bsz #793) muss sich der verantwortliche Redakteur des Online-Portals bo-alternativ, Martin Budich, nun wieder vor derselben juristischen Instanz, dem Amtsgericht Bochum, verantworten – für exakt denselben Vorwurf: die Karikatur einer mit mutmaßlich explosiven Backwaren werfenden Videospielfigur ins Netz gestellt zu haben, um gegen einen Nazi-Aufmarsch in Bochum vom 25.10.2008 zu mobilisieren.
„Kein Zuckerschlecken für Nazis“ war über der aus einem Videospiel bekannten Figur zu lesen sowie darunter der Schriftzug „Naziaufmarsch verhindern”. Nachdem der von der Staatsanwaltschaft selbst beantragte Freispruch in einer ‚Sprungrevision‘ vor dem Oberlandesgericht Hamm noch einmal obergerichtlich überprüft werden sollte, wurde die Sache wieder ans Bochumer Amtsgericht zurückverwiesen, wo sie am 21. Juli erneut verhandelt wird.
Und täglich grüßt das Murmeltier: Selbst ein „Freispruch erster Klasse“ scheint im bundesrepublikanischen Rechtsstaat zuweilen nicht auszureichen, um den Mühlen der deutschen Justiz endgültig zu entkommen. In einer Solidaritätserklärung bewerteten eine Reihe prominenter Persönlichkeiten die Anklage gegen den langjährigen Friedensaktivisten Martin Budich nicht zuletzt auch als einen „Affront gegen die Menschen, die sich am 25. Oktober [2008] in Bochum und an anderen Tagen in anderen Städten den Nazi-Aufmärschen entgegenstellten.“ Dennoch geht die Justizfarce nun in die nächste Runde.
Politisch gewollte Groteske
Insbesondere angesichts der Tatsache, dass das inkriminierte Plakatmotiv samt Videospiel-Tortenmann zuvor auch von zahlreichen anderen, überregionalen Online-Medien ins Netz gestellt und hundertfach im öffentlichen Raum plakatiert worden war, jedoch zum wiederholten Mal ausschließlich gegen das lokale Netzportal bo-alternativ vorgegangen wird, drängt sich der Verdacht auf, dass hier ein politisches Exempel statuiert werden soll. Bereits 2003 war ebenfalls im Zusammenhang mit der Mobilisierung zur Verhinderung eines Naziaufmarsches ein ähnlicher Vorwurf gegen den verantwortlichen Redakteur erhoben worden. Während die Staatsanwaltschaft damals Richter fand, die ihren abenteuerlichen Vorwürfen Glauben schenkten, fiel die Anklage diesmal gänzlich in sich zusammen: Selbst der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft fand die Anklage seiner Kollegen von der Politikabteilung völlig unhaltbar und beantragte Freispruch. Umso verwunderlicher ist, dass das Ganze nun neu aufgerollt werden soll – offenbar wollen Teile der Staatsanwaltschaft hier um jeden Preis ein politisches Statement abgeben: Statt konsequent gegen volksverhetzende Aufmärsche wie die Nazi-Demo der NPD unter dem Motto „gegen Überfremdung, Islamisierung und Ausländerkriminalität“ vom 25.10.08 vorzugehen, soll offenbar der Widerstand gegen Rechts in seiner Handlungsfreiheit beschnitten werden, selbst wenn das Recht hierbei auf Biegen und Brechen gebeugt und die Meinungsfreiheit mit Füßen getreten werden muss.
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