Nicht nur bürgerliche Bildungsforscher übten jahrelang Kritik: Nur circa drei Prozent der Studierenden erhalten ein Stipendium. Der Anteil ist seit der Gründung der Republik nahezu unverändert niedrig geblieben. Zu wenig Verantwortung übernehme die private Wirtschaft für die Ausbildungskosten junger Menschen und zu hoch sei der Anteil der „Gießkanne“ Bafög an der Studienfinanzierung, von der im langjährigen Mittel fast ein Viertel der Studierenden profitieren konnte. Durch ein Stipendienprogramm versprachen sich die Berliner Koalitionäre von CDU, CSU und FDP im vergangen Herbst einen Anstieg auf acht Prozent – und damit gleichzeitig die Verpflichtung der Wirtschaft sowie eine gezielte Förderung der geistigen Eliten unseres Landes. Als Blaupause für den Ende April im Kabinett beschlossenen Gesetzesentwurf dient das umstrittene nordrhein-westfälische Programm von Innovationsminister Pinkwart. 300 Euro pro Monat werden für zunächst zwei Semester bewilligt, jeweils zur Hälfte aus Mitteln der Privatwirtschaft, welche die Universitäten eingeworben hatten, und zur Hälfte aus Mitteln des Landes NRW. Ein Erfolgsmodell – glaubt man den Worten des Ministers. Den Universitäten in den Ballungsgebieten gelang es, eine beachtliche Anzahl von Stipendien zur Verfügung zu stellen. Mit an der Spitze war auch die Ruhr-Universität, die so 120 Studierende fördern konnte. Zwar war dies für den ersten Versuch ein großer Erfolg, der aber noch weit entfernt war von dem Ziel, acht Prozent der Studierenden mit einem Stipendium zu fördern.
Fördern und vor allem Fordern
Hier steckt auch ein großes Problem des nationalen Systems. Bereits der Versuch an Rhein und Ruhr hat gezeigt, dass sich für Ingenieursstudiengänge deutlich leichter ein Stipendium finden lässt als für Religionswissenschaft. Nicht selten wollen die Stifter ein Wort mitreden, wen sie denn mit ihren 1.800 Euro, die sie im Jahr für ein Stipendium aufbringen müssten, fördern wollen. Mit der Möglichkeit, sowohl Orte als auch Fächer zu bestimmen, haben die Spender Einfluss auf die Mittelvergabe. Auch muss ein solches Stipendium nicht anonym sein – gerne tritt die spendende Firma persönlich mit den Geförderten in Kontakt, um zum einen den wissenschaftlichen Fortschritt zu begleiten und andererseits Werbung für sich als künftigen Arbeitgeber zu machen. Oder anders ausgedrückt: Die Wirtschaft behält ihre Investitionen im Auge, zu denen sie am wenig beiträgt, deren Ergebnis sie aber für sich reklamieren will. Wenn Bundesbildungsministerin Schavan konstatiert, dass Stipendien gleichermaßen von Privat und Staat getragen werden, verkennt sie, dass der Steuerzahler zum überwiegenden Teil Stipendiengeber ist: Von den 630 Millionen Euro, die das Programm umfassen soll, entfallen auf den Bund gut zwei Drittel: 300 Millionen Euro direkte Förderung, 30 Millionen Verwaltungskosten und mindestens 100 Millionen Euro Steuerausfälle. „Unternehmen wie Private können die gespendeten Gelder nämlich von ihren Steuern absetzen, und so zahlen Bund und Länder einen erheblichen Anteil wieder an die Spender zurück“, kritisiert Andreas Keller von der Bildungsgewerkschaft GEW.
300 Euro Taschengeld
Auch die Ausgestaltung des Inhalts erntet die Kritik des GEW-Mannes: „Wer ein Stipendium ergattert, muss mit 300 Euro zufrieden sein, davon kann keiner leben. Das ist allenfalls ein zusätzliches Taschengeld für die, die bereits abgesichert sind.“ Mit diesem Programm verschärfe die Bundesregierung die soziale Selektion im deutschen Bildungswesen und trage weiterhin zur Reproduktion der Bildungseliten bei. Wegen ihrer kurzen Förderdauer von lediglich einem Jahr bleibt ihre Wirkung als zuverlässiger Bestandteil der Studienfinanzierung aus. Erwerbsarbeit von Studierenden wird dadurch kaum nachhaltig zu beeinflussen und die Semesteranzahl kaum reduzierbar sein. So bleibt das nationale Stipendienprogramm am Ende ein Wunschkind der schwarz-gelben Bundesregierung, das die hierein gesetzten Hoffnungen, die Studienfinanzierung nachhaltig zu verändern, nicht erfüllen kann. Ein Ende des Bafögs, wie lange Zeit aus den Reihen der jetzt Regierenden gefordert, kann aber mit diesem Programm nicht eingeläutet werden, ohne massive demografische Konsequenzen zu riskieren.
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